Back Down to Earth


[Buchrezension] Gated: Die letzten 12 Tage - Amy Christine Parker

In knapp zwölf Tagen könnten wir unter der Erde sein. Trotz alldem, was ich nun über Erdbeben, Tsunamis und Wirbelstürme weiß, drängt es mich, die Brüder um mehr Zeit anzuflehen, als könnte ich sie dadurch irgendwie davon abbringen, allem ein Ende zu bereiten. Zwölf Tage ist nicht lange genug. Ich merke, wie ich insgeheim bete und hoffe, dass sie mich erhören. Ich flehe um mehr Zeit, um mehr Mut...um ein Wunder.

INHALT
Lyla lebt in einer von der Außenwelt abgeschotteten Gemeinde, die von einem Mann geführt wird, der sich Pioneer nennt. Durch seine Visionen von den "Brüdern" weiß er, dass das Ende der Welt bevorsteht, weshalb er und die anderen Gemeindemitglieder einen unterirdischen Ort angelegt haben, damit sie dort überleben können. Lyla ist daran und an das Denken, eine der wenigen Auserwählten von Milliarden Menschen zu sein, gewöhnt. Doch dann lernt sie durch einen Zufall Cody kennen, einen Jungen von außerhalb. Und er ist gar nicht so böse, wie es immer von den Menschen wie ihm behauptet wurde. Mit seiner Hilfe kommt sie einigen Geheimnissen auf die Spur, und bald kommen ihr Zweifel an Pioneers Mission...

MEINE MEINUNG
Auch wenn das Cover durch die hell erleuchtete Pforte sehr phantastisch wirkt und der Weltuntergang im Klappentext ein wenig auf ein Dystopie- oder Endzeitszenario hindeutet, ist Amy Christine Parkers "Gated" doch ein Jugendroman ohne Fantasy, der sich stattdessen mit einer Sekte und der Selbstfindung eines jungen Mädchens auseinandersetzt. Der Stil ist jugendlich, an manchen Stellen auch umgangssprachlich - was im Hinblick auf das behütete Aufwachsen der Leute manchmal etwas seltsam wirkt -, insgesamt jedoch recht flüssig zu lesen.

Protagonistin Lyla wirkt größtenteils sehr unentschieden und unausgereift. Sie hegt von Anfang an leise Zweifel gegen einige Dinge des Systems, das Pioneer aufrecht erhält, es wird jedoch nicht klar, woher diese kommen, und weiter drauf eingegangen wird auch nicht wirklich. Zudem reagiert sie oftmals recht unglaubwürdig auf Schlüsselszenen und zeigt nur selten ihre Angst davor, der Wahrheit ins Auge zu blicken. Die Nebenfiguren bleiben ansonsten leider sehr blass - zwar wird ihre bedingungslose Hingabe an das Weltbild, das sie sich geschaffen haben, deutlich, ansonsten haben die meisten jedoch wenig Eigenschaften oder wirken genau wie Lyla seltsam unentschlossen. Wie etwa ihre Freundin Marie, die mal weinerlich und mal sehr mutig ist, letzteres oft in Situationen, wo dies völlig unpassend ist. Love-Interest Cody kommt dafür dann so selten vor, dass man ihn eigentlich gar nicht kennen lernt und letztendlich so gut wie nichts über ihn weiß. Pioneer selbst ist die erste Zeit ein recht spannender Charakter aufgrund seiner vollkommenen Kontrolle und seiner Art, gleichzeitig autoritär und liebevoll zu sein, im letzten Drittel jedoch entwickelt er sich vollkommen wider seiner Natur und wird äußerst wirr in seinen Handlungen.

Das Leben in der abgeschotteten Gemeinde wird jedoch sehr glaubwürdig und authentisch dargestellt. Keine Frage, für den Leser wird ein solches Leben natürlich sehr abwegig und vor allem unangenehm sein, denn die unbeirrbare Folgsamkeit der Mitglieder, ihre Naivität und ihr Glaube an das Ende der Welt kann man nicht wirklich als normal bezeichnen. Amy Christine Parker versteht es hier gut, einen zum Nachdenken darüber anzuregen, wie solch eine Abhängigkeit für einen selbst wäre. Davon abgesehen gelingt es ihr jedoch lange Zeit nicht, auch nur in Ansätzen Spannung aufzubauen. Das Ganze dümpelt so vor sich hin, Lyla zeigt einem ihr Leben, doch mag dieses auch noch so anders sein, ihre Erlebnisse sind es nicht. Sie begeht Dummheiten mit ihren Freunden, fühlt sich unangenehm in der Gegenwart des Jungens, der sie liebt und reitet mit ihrem Lieblingspferd durch die Koppel. Ansonsten geschieht über weite Teile recht wenig.

Da kann auch die Liebesgeschichte nicht helfen. Denn das erste Treffen von Cody und Lyla nach etwa 50 Seiten gipfelt in einem sofortigen Gefühlsdusel, das aufgrund der schwachen Ausarbeiten des männlichen Parts für den Leser eher unverständlich bleibt. Hinterher sehen sich die Beiden über 70 Seiten nicht mehr, danach sind jedoch alle Gefühle sofort wieder da. Natürlich, irgendwo soll Cody den Anstoß geben für Lylas Nachdenken über ihre Situation, doch das reicht hier einfach nicht und wirkt seltsam unausgegoren. Nachdem der Roman allerdings die ganze Zeit wenigstens im Mittelmaß blieb, schien die Autorin zum Ende hin doch noch alle Geschütze auffahren zu wollen - da gibt es plötzlich Mord und Totschlag, Verfolgungsjagden, Belagerungen, und das alles passt nicht nur überhaupt nicht zur Erzählweise der 250 Seiten davor, sondern wirkt auch noch völlig unglaubwürdig; ganz abgesehen davon, dass einige Fragen offen bleiben. Einen 2. Teil gibt es im englischen schon, der diese möglicherweise klären könnte, aber ich lasse es an dieser Stelle lieber bleiben.

FAZIT
"Gated" erzählt die Geschichte eines Mädchens, das in einer Sekte aufwächst und nach und nach daran zweifelt, ob das Weltbild, nach dem es lebt, richtig ist. Das spannende und wichtige Thema setzt Amy Christine Parker jedoch weitestgehend langweilig um, die Charaktere bleiben blass und können den Leser nicht erreichen, und das Ende ist in seiner Ausführung komplett abstrus. Wer jedoch überwiegend langsame Geschichten mag, könnte hier vielleicht mehr Freude haben. Von mir gibt es knappe 2,5 Punkte.



Titel: Gated
Originaltitel: Gated
Autor: Amy Christine Parker
Übersetzer: Bettina Münch
Verlag: dtv
Seitenzahl: 336 Seiten
ISBN-13: 978-3423760980



  2 Kommentare:

  1. Ich war ja total begeistert von dem Buch und habe ihm die volle Punktzahl gegeben, andererseits kann ich einge deiner Punkte verstehen - die Sache mit Cody beispielsweise. Aber all diese Sachen haben mich üüüberhaupt nicht gestört :D
    Wo ich dir gar nicht zustimmen kann ist bei dem Ende. Du fandest es unrealistisch? :o Also mir ging es ganz anders, ich fand es mehr als realistisch, weswegen ich schon Angst hatte, nachts durch die dunkle Wohnung zu laufen und pinkeln zu gehen :D Ich fand auch den ersten Teil des Buchs überhaupt nicht langweilig, ich fand das Thema mit der Sekte sooo wahnsinnig interessant!
    Ich finde, dass das Buch auch ein guter Einzelband wäre, aber der deutsche Untertitel verrät ja schon, dass es da noch mehr geben wird. Im zweiten Teil wird bestimmt mehr auf Cody eingegangen (Und ich will hier niemande spoilern, deshalb hoffe ich, du verstehst was ich meine) die Endsituation mit Pioneer eingegangen, ich bin schon sehr gespannt darauf!

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    1. Nun ja, mich haben die Aspekte eben einfach sehr gestört. ich bin bei Geschichten aus dem echten Leben noch viel kritischer als bei Fantasy-Romanen, weil ich ja schließlich weiß, wie das echte Leben so abläuft. Und ich bin mir sicher, dass es so nicht vonstatten geht. [Im Hinblick auf die seltsam agierenden Figuren, die Insta-Love und den absolut bescheuerten Showdown.]

      Das Thema Sekten finde ich prinzipiell auch interessant und vor allem wichtig, aber hier wurde es für mich einfach nicht gut umgesetzt. Ich habe ja nun schon Bücher dazu gelesen und Filme gesehen, das heißt, ich habe da einen Vergleich und es war nicht das erste Mal, dass ich mich dem angenommen habe ;) Vielleicht lag es auch daran. Und Angst hatte ich gar keine, was war denn da gruselig? O.o :D

      In Band 2 wird in der Tat insbesondere darauf eingegangen, dass Pioneer überlebt hat, was Zweifel in den ehemaligen Mitgliedern der Sekte sät. Aber ich werde mir den Teil auf jeden Fall nicht antun ;)

      Danke für deine Meinung!

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Die Bloggerin

Kittyzer, 22 Jahre alt, früher als Sonne bekannt. Gebürtige Niedersachsin, die für die Arbeit nach Rheinland-Pfalz gezogen ist. Schreibt über Bücher, Filme, Serien und Mainz. Um mehr zu erfahren, → klicke hier

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