Back Down to Earth


[Kurzspots] Alias Grace, Unser letzter Sommer, Salz für die See, ES, Gringo

Lange ist es her, dass ich das letzte Mal im Kurzdurchlauf Bücher, Filme und Serien besprochen habe - wenig hatte mich da in letzter Zeit zu verführt. Aber nun, da ich endlich einiges beisammen habe, gibt es mal wieder eine gute Mischung.
Mit dabei heute: Eine junge und schöne Mörderin, Drama und Liebe auf einer Insel, der zweite Weltkrieg, ein böser Clown, und eine wilde Verfolgungsjagd durch Mexiko.

Alias Grace
mit Sarah Gadon, Edward Holcroft, Anna Paquin
Die noch recht junge Grace sitzt im Gefängnis - für den Mord an zwei Menschen. Nun soll beurteilt werden, ob sie vorzeitig entlassen werden kann. Dazu erzählt sie ihre Geschichte, die ebenso traurig wie zweifelhaft ist.

Margaret Atwood ist momentan, genauso wie Stephen King, groß im Trend - neben "The Handmaid's Tale", deren 2. Staffel momentan in den USA läuft, hat Netflix 2017 auch "Alias Grace" verfilmt, die fiktionalisierte Geschichte der Mörderin Grace Marks, die für die Tode des Hausherren Kinnear und seiner Haushälterin verurteilt wurde. Nun soll die Frage geklärt werden: Hat sie es getan oder ist sie unschuldig? Grace ist eine unzuverlässige Erzählerin, wie man es neuerdings auch in allerlei psychologischen Thrillern der Trend ist. Die hübsche Sarah Gadon spielt diese junge Frau, die so liebenswürdig und traurig wirkt, aber eindeutig auch einiges verbirgt, mit einer Art bedrohlichen Unschuld. Als Frau in den 1850ern hatte man es nicht leicht, und so musste Grace nicht nur einem gewalttätigen Mann entfliehen, sie musste sich auch immer wieder gegen Vorurteile und schlechte Behandlung zur Wehr setzen - und hat eben dadurch auch ihre liebste Freundin verloren. Es wird die Geschichte einer verlorenen jungen Frau erzählt, die selten geliebt und oft gehasst wurde, und insbesondere im Haushalt von Thomas Kinnear, der ein lästerliches Verhältnis mit seiner eifersüchtigen Haushälterin Nancy Montgomery führte, konnte sie sich nie wohlfühlen. Ist diese Serie also ein Thriller oder doch eher die Charakterstudie eines traumatisierten Mädchens? Man weiß es nicht. Die wahren Hintergründe bleiben ein Geheimnis. Und das macht das Ganze gerade so spannend. 4,5 Punkte.

Unser letzter Sommer
von Ann Brashares
Die Familie von Riley und Alice verbringt seit jeher ihre Sommer auf der kleinen Insel Fire Island. Nach Jahren der Abwesenheit kehrt auch ihr Kindheitsfreund Paul wieder zurück - und er und Alice lassen endlich ihre Liebe zu. Doch dann erkrankt Riley schwer und alles scheint zu zerfallen...

Für ihre "Sisterhood of the Traveling Pants"-Reihe bekannt, die vor einem Jahrzehnt auch mit Alexis Bledel und Blake Lively verfilmt wurde. Gelesen hatte ich bisher noch nichts von ihr - "Unser letzter Sommer" lag aber seit meiner späteren Jugend ungelesen im Regal. Und in diesem heißen Juli 2018 war es also Zeit, das mal zu ändern. Tatsächlich und unerwartet spielen aber nur etwa zwei Drittel des Romans in dieser Jahreszeit - die anderen hundert Seiten umfassen dagegen ein ganzes Jahr, und ein äußerst deprimierendes noch dazu. Insgesamt ist das Ganze eher weniger eine lockere und schöne Sommerlektüre als eine Geschichte um Freundschaft, erste Liebe und Verlust, die aber weit weniger in die Tiefe geht, als das möglich gewesen wäre. Schließlich wird die ganze Handlung auf 300 Seiten erzählt, und wichtige Schlüsselszenen wie die, in der Paul und Alice sich zum ersten Mal näher kommen, werden übersprungen oder stark verkürzt. Sowieso fand ich die Liebesgeschichte eher anstrengend, weil die Autorin die Charaktere immer wieder ziemlich grundlos und überzogen davor zurückweichen lässt. Die Krankheit Rileys treibt hauptsächlich die Story voran und die Liebenden auseinander, wird aber nicht großartig behandelt, ist einfach nur ein Mittel zum Zweck. Das ist schade, weil gerade diese Schwester mit ihrer Unabhängigkeit, ihrer Freude an der Natur und ihrer Weigerung, sich für Menschen zu verändern, die interessante der beiden ist, aber viel weniger zu Wort kommt. Insgesamt kein wirklich schlechtes, aber ein enttäuschendes Leseerlebnis. 2,5 Punkte.

Salz für die See
von Ruta Sepetys
Der 2. Weltkrieg hat seinen Höhepunkt erreicht und hunderttausende Menschen sind auf der Flucht - darunter die Lettin Joanna, die Polin Emilia und der Deutsche Florian. Sie alle haben ihre Geheimnisse, und sie alle versuchen zu überleben.

Wer gute historische Jugendbücher lesen will, sollte zu Ruta Sepetys greifen, das ist der Konsens - und insbesondere "Salz für die See" wird hoch gelobt. Schließlich wird hier mal nicht (nur) die Sicht der Deutschen oder der Amerikaner beleuchtet, sondern es kommen auch eine Lettin zu Wort, die für die Nationalsozialisten als "arisch" galt, und eine Polin, die mit zu den "Untermenschen" gehörte. Zu lesen, was beiden widerfährt, ist hart und tut oft weh, und das ist gut so, wenn man sich ansieht, wie dieses Gedankengut keine hundert Jahre später wieder auf dem Vormarsch ist. Der deutsche Florian hat dagegen ein Geheimnis, das nicht nur ihn bedroht, sondern auch alle Mitreisenden - er war mir ein bisschen zu sehr der "Held" der Geschichte. Außerdem haben mir die extrem kurzen Kapitel weniger gefallen - es war schwierig, eine Bindung zu den einzelnen Figuren aufzubauen, wenn man immer nur so kurz bei einer Sicht verweilen durfte. Ich persönlich wurde so des Öfteren herausgerissen und dann fiel es mir schwer, mich bei dem nächsten Charakter wieder einzufinden. Nichtsdestotrotz hat die Autorin einen angenehmen, aber ungeschönten Stil, ihre Nebenfiguren versprühen wunderbaren Charme, und ihr Wissen über die Zeit merkt man der Erzählung an, ohne dass es wie eine Geschichtsstunde wirkt. Ein wichtiges, gutes Buch. 4 Punkte.

ES
von Stephen King
Die Kleinstadt Derry war schon immer von einer seltsamen Aura umgeben - und alle knapp 30 Jahre kam es dort bisher zu schrecklichen Ereignissen. Eine Gruppe Kinder kommt dem Geheimnis auf die Spur: Das Böse selbst, ES, lauert in der Stadt und ernährt sich von Tod und Angst...

Stephen King ist wahrscheinlich ein Autor, dessen Bücher man mag oder nicht. Er hat einen ganz eigenen Stil, der oft ausufert und Ereignisse aus vielen verschiedenen Perspektiven und Zeiten beleuchtet, ohne dass man immer direkt ahnt, worauf das hinauslaufen soll. Das ist teilweise anstrengend, aber es ist auch eine Kunst, so viele verschiedene Charaktere - auch Erzähler abseits der Hauptfiguren - so lebendig zu gestalten. Anders als die Filme und die Mini-Serie ist die Romanvorlage von "ES" nicht in zwei Teile aufgeteilt, sondern in wesentlich mehr, und springt zwischen den Zeiten hin und her. So lernt man die Losers sowohl im Kindes- als auch im Erwachsenenalter gleich gut kennen (und lieben natürlich). Viel mehr als in den Adaptionen wird auch deutlich, dass King vor allem eine Coming-of-Age-Geschichte geschrieben hat, die ebenso von den Schrecken des Erwachsenwerdens wie denen des Clowns Pennywise erzählt. Die Freundschaft der Kinder ist bezaubernd, ihr späterer Zusammenhalt trotz allem, was sie gesehen haben, beeindruckend. Und auch, wenn die Schreckmomente deutlich rarer gesät sind, als man vermutet hätte: Das Buch bei Nacht zu lesen, ist keine gute Idee. "ES" ist kein Roman für zwischendurch - aber einer, den man lesen sollte. Gute 4 Punkte.

Gringo
mit Charlize Theron, David Oyelowo, Joel Edgerton
Eigentlich will Harold nur ganz normal seinen Job als Pharmavertreter ausüben. Doch plötzlich und unerwartet findet er sich mitten in der Drogenszene von Mexiko wieder, gejagt von Gangstern und kurz davor, alles zu verlieren, wofür er immer gekämpft hat...

Amazon ist mit seinen Amazon Studios auch ins Kinogeschäft vorgedrungen und "Gringo" war der erste Film mit großartiger Besetzung, den man auf der Leinwand bewundern durfte. Wobei "bewundern" deutlich zu viel gesagt ist, denn wenn die Qualität der noch kommenden Streifen die gleiche ist wie bei diesem Film, sehe ich eher schwarz. Trotz einer Besetzung mit unter anderem Charlize Theron, die sichtlich Spaß hatte an ihrer dreckigen und arroganten Rolle, oder mit David Oyelowo, dessen Charakter immerhin eine kleine Entwicklung vollziehen durfte, ist das Ganze ein abstruses, wirres Etwas, das die Leistung vollbringt, einen trotz der vollgestopften Handlung noch zu langweilen. Zum Einen liegt das sicherlich daran, dass einem kein Sympathieträger angeboten wird, oder wenigstens ein richtig hassenswerter Bösewicht - hier sind einem die Charaktere einfach alle egal. Zum anderen ist die Story aber auch einfach komplett konfus, zeichnet ein vollkommen klischeehaftes, amerikanisches Bild von einem drogenzerfressenen Mexiko und findet das dann auch noch urkomisch. Witzig geht allerdings anders, und sympathisch abgedreht wie etwa "This is the End" oder beißend-böse wie "The Wolf of Wall Street" ist er bei weitem nicht. Und erwähnte ich eigentlich schon einmal, dass ich noch nie einen Film mit Amanda Seyfried gesehen habe, den ich mochte? Wieder einer mehr auf der Liste. 2 Punkte.

  8 Kommentare:

  1. "Alias Grace" will ich mir auch noch anschauen, habe aber dafür noch gar keine Zeit gefunden. Jedoch hat mir "The Handmaid's Tale" schon unglaublich gut gefallen, sodass ich noch gespannter bin. Mächte mir ja auch die Bücher von Atwood irgendwann mal vornehmen. Freut mich somit auch zu hören, dass die "Alias Grace" so begeistert hat, ich fand die Prämisse schon spannend, als ich gelesen habe dass das Buch verfilmt wird. "The Handmaid's Tale" kann ich übrigens ebenfalls empfehlen, solltest du mal die Möglichkiet haben die Serie zu schauen, tu es. Sie ist schockierend, brandaktuell und grandios gespielt und oft tut das Hinschauen weh. Es wird eindrucksvoll gezeigt, wie einem schleichend all die Rechte genommen werden für die man gekämpft hat und die für uns mittlerweile normal sind.

    Es habe ich ja noch im Regal stehen, aber du weißt ja, dass ich vom Film gar nicht begeistert war. Mal schauen, ob ich das Buch noch lese. Zu "Gringo" ich hatte mir das nach dem Trailer und den vernichtenden Kritiken schon gedacht und deine Meinung bestätigt mich nur, den Film nicht anzuschauen. Übrigens mag ich ja Amanda Seyfried. In meiner Jugend war "Girls Club" ja eine riesen Sache und meine Freundinnen und ich waren auch große Fans des Filmes und seitdem verfolge ich auch Seyfrieds Karriere und habe schon einige Filme mit ihr gesehen, die ich mochte, auch wenn keiner nun oscar verdächtige gewesen wäre, aber gut unterhalten gefühl habe ich mich immer ;). Was ich von den Amazon Studios mochte ist "The Big Sick", da waren die ja auch mit dran beteiligt und habe hier zumindest bewiesen, dass sie auch qualitativ hochwertige Filme abliefern können. Aber sehe das wie bei Netflix, die sind ja bei den Film eigenproduktionen auch nicht so stark.

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    1. Salut bknicole.
      "Abliefer" ist wohl zuviel Ehre - die Filmsparte von a-Zone hat sich lediglich des Verleihs von 'The Big Sick' angenommen; der originell gute Film ist eine klassische Indi-Produktion.

      bonté

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    2. Bei mir ist es umgekehrt: Ich habe "The Handmaid's Tale" noch nicht geschaut, muss das aber unbedingt noch tun. Hab mal irgendwo gelesen, dass die Serie Ende des Jahres wahrscheinlich im Free-TV laufen soll, dann bin ich auf jeden Fall dabei. "Alias Grace" ist das Anschauen auf jeden Fall wert. Lesen möchte ich von der Autorin aber auf jeden Fall auch noch einige Bücher!

      Ich bin froh, dass es dir mit Amanda Seyfried anders geht als mir :D Es ist auch nicht so, dass ich eine Abneigung gegen sie hätte (nicht so wie gegen Lily James) - ich fand einfach nur alle Filme mit ihr doof. "In Time", "Mamma Mia", "Gone" - keiner hat mich überzeugen können. Von daher ahne ich vorher schon immer, dass es so ausgehen wird :D Andererseits mag ich die Charlize Theron eigentlich sehr gern, und ihre Filme sowieso, von daher...Anschauen musst du ihn dir jedenfalls nicht. Aber "The Big Sick" werde ich mir nicht entgehen lassen!

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  2. Latha math, Sonne.
    Möglich, dass Dich Amanda Seyfried in 'First Reformed' (zusammen mit Ethan Hawke) überzeugen kann, spielt sie darin eine Frau, die sich dem örtlichen Pfarrer anvertraut; offensichtlich scheint ihr Mann ein furchtbares Verbrechen vorbereitet zu haben. Die Schwangere & der Geistliche stehen - jeweils für sich - an den Abgründen von moderner & alter Welt.

    Ähnlich wie bei 'The Big Sick' ist das a-Zone-Studio nur für den Verleih von 'Gringo' eingestiegen. Man/frau kann ihnen also allenfalls ein schlechtes Urteil attestieren... ;-)

    bonté

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    1. "First Reformed" klingt ja irgendwie sehr nach "Regression" mit Emma Watson. Was ihn nicht uninteressant macht! Vielleicht kann der Film ja meine Meinung von ihr mal revidieren ;) Ich bin jedenfalls gespannt.

      Ah, ich war irgendwie der Überzeugung, Amazon hätte den Film auch produziert. Wieder was gelernt!

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    2. ...vermutlich sonnt sich die Presseabteilung von a-Zone gern in dem fremden Licht. ;-)

      'First Reformed' ist etwas "direkter" angelegt, was die Probleme der Protagonisten angeht. Die Ängste & Schrecken, "alltäglicher".

      Stets angenehm, Dich zu lesen!

      bonté

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  3. "Alias Grace" wird ja irgendwie von allen Seiten gelobt. Ich sollte wohl doch mal reinschauen...

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    1. Ich kann die Serie jedenfalls nur empfehlen. Für den Stoff sehr kurzweilig, und vor allem toll gespielt. Es zumindest zu probieren lohnt sich definitiv!

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Die Bloggerin

Kittyzer, 22 Jahre alt, früher als Sonne bekannt. Gebürtige Niedersachsin, die für die Arbeit nach Rheinland-Pfalz gezogen ist. Schreibt über Bücher, Filme, Serien und Mainz. Um mehr zu erfahren, → klicke hier

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