[Buchrezension] Wie der Wind und das Meer - Lilli Beck
Rosalie schaute ihn unsicher an. »Und wenn jemand fragt, wo unsere Eltern sind?«
»Dann behaupten wir einfach, die stehen in einer anderen
Schlange für Brot an«, antwortete Paul.
»Und wenn niemand die Marken will?« Rosalie schien sich
nicht so einfach überzeugen zu lassen.
Paul hatte sich aufgerappelt, legte sich den Tragegurt über
die Schulter und griff nach dem Kochtopf. »Wir durchsuchen
jetzt erst mal die Ruinen. Wirst sehen, wir finden was. Irgend-
was finden wir bestimmt.«
Das Mädchen rührte sich nicht von der Stelle.
»Komm mit, Rosalie«, drängte Paul.
»Ich bin nicht deine Schwester!« Trotzig warf sie ihm die
Puppe vor die Füße. »Ich heiße Sarah, merk dir das, und ich
will zu meiner Mutti.«
Im April 1945 neigt sich der 2. Weltkrieg seinem Ende zu. Die Alliierten bekämpfen die Nationalsozialisten und zerbomben deutsche Städte. Bei einem dieser Fliegerangriffe kommt die gesamte Familie des jungen Paul um. Verwirrt und voller Schmerz irrt er durch München - und trifft dabei auf die Jüdin Sarah, die sein Schicksal teilt. Sie ist fast genauso alt wie er - und sieht seiner toten Schwester Rosalie sehr ähnlich. Die beiden beschließen, sich als Geschwister auszugeben, um die gefährliche Herkunft des Mädchens zu verbergen. Nicht von anderen Menschen, nicht vom Waisenhaus und auch nicht von einer möglichen neuen Familie lassen sich die beiden trennen, halten immer zusammen. Im Jugendalter schließlich werden sie von einem fürsorglichen Ehepaar gemeinsam adoptiert und die Zeit der Entbehrungen scheint endlich vorbei. Doch als die beiden Gefühle für einander entwickeln, ahnen sie bereits die Ausweglosigkeit ihrer Lage. Denn sie gelten als Geschwister und daher ist ihre Liebe verboten...
MEINE MEINUNG
Unmögliche Liebesgeschichten voller Sehnsucht und Leidenschaft üben auch auf mich ihren Reiz aus, wenn sie gut gemacht sind. Lilli Becks "Wie der Wind und das Meer" schien da die richtige Wahl - mit einem als Kinder geschmiedeten Bündnis, das die Liebe verwehrt, ist hier nicht nur ein glaubwürdiges Hindernis geschaffen worden, auch ist die Kriegs- und Nachkriegszeit ein Szenario, das ebenso bekannt wie immer noch wichtig ist. Das Buch umfasst insgesamt circa 40 Jahre und begleitet die beiden Protagonisten nicht nur beim Aufwachsen, sondern auch bei ihrem Werdegang und den vielen ungewollten Trennungen. Erzählt wird das Ganze personal aus beiden Sichten, wobei ganz selten auch Wegbegleiter zu Wort kommen.
Es ist seltsam, von Sarah zu sprechen, denn die meiste Zeit über wird sie im Roman Rosalie genannt - sie nimmt die Identität von Pauls Schwester komplett an, auch wenn sie sich, verständlicherweise, danach sehnt, so gesehen zu werden, wie sie eigentlich ist. Prinzipiell ist sie ein sympathisches Mädchen mit großen Träumen und einem starken Willen, aber sie neigt auch zu unverhältnismäßiger Eifersucht und macht es sich und Paul oft unnötig schwer. Paul dagegen ist als Junge und junger Mann eindeutig der Sympathieträger mit seiner fürsorglichen und liebevollen Art. Im Laufe der Zeit entwickelt er aber immer mehr negative Eigenschaften: Verbittert und abweisend kümmert er sich nicht um seine Familie, begeht Fehler um Fehler und kann sich nicht mehr wirklich aus diesem Sumpf herausziehen. Dafür gibt es andere Figuren, die man sehr ins Herz schließt: Agathe etwa, die die Kinder noch vor der Adoption für einige Zeit bei sich aufnimmt und so etwas wie die Ersatz-Oma ist, oder auch Sarahs Wohngemeinschaft in Berlin, die aus lauter skurrilen, tollen Persönlichkeiten besteht.
Die ersten 100 Seiten sind mitreißend, berührend und vergehen, logisch bei einem Roman, der um die Kriegszeit herum spielt, nicht ohne Schicksalsschläge. Nachdem die Kinder jedoch adoptiert worden sind, passiert lange Zeit erst einmal nichts mehr. Die jungen Liebenden fügen sich in den Alltagstrott und stehlen sich ab und zu gemeinsame Stunden, aber die Gefühle kommen gar nicht wirklich an - Szenen wie der erste Kuss werden viel zu schnell abgehandelt, um etwas in einem zu wecken. Natürlich sind die beiden in einer schwierigen Situation gefangen, die einen selbst ebenfalls zum Nachdenken anregt, aber diese hätte auch deutlich gekürzt werden können. Hunderte Seiten erfährt man, wie sie ihr Leben getrennt voneinander verbringen, was irgendwann nur noch ermüdend ist. Das ist schade, wenn man bedenkt, wie atmosphärisch die Autorin sowohl von den Schrecken des Krieges als auch vom Mauerbau bzw. der DDR erzählt. Bis zum Ende konnte ich mich nicht mehr wirklich in die Geschichte einfinden, und zudem ist der Schluss auch noch äußerst melodramatisch geraten. Auf weniger Seiten hätte das Ganze eventuell besser funktioniert.
Es ist seltsam, von Sarah zu sprechen, denn die meiste Zeit über wird sie im Roman Rosalie genannt - sie nimmt die Identität von Pauls Schwester komplett an, auch wenn sie sich, verständlicherweise, danach sehnt, so gesehen zu werden, wie sie eigentlich ist. Prinzipiell ist sie ein sympathisches Mädchen mit großen Träumen und einem starken Willen, aber sie neigt auch zu unverhältnismäßiger Eifersucht und macht es sich und Paul oft unnötig schwer. Paul dagegen ist als Junge und junger Mann eindeutig der Sympathieträger mit seiner fürsorglichen und liebevollen Art. Im Laufe der Zeit entwickelt er aber immer mehr negative Eigenschaften: Verbittert und abweisend kümmert er sich nicht um seine Familie, begeht Fehler um Fehler und kann sich nicht mehr wirklich aus diesem Sumpf herausziehen. Dafür gibt es andere Figuren, die man sehr ins Herz schließt: Agathe etwa, die die Kinder noch vor der Adoption für einige Zeit bei sich aufnimmt und so etwas wie die Ersatz-Oma ist, oder auch Sarahs Wohngemeinschaft in Berlin, die aus lauter skurrilen, tollen Persönlichkeiten besteht.
Die ersten 100 Seiten sind mitreißend, berührend und vergehen, logisch bei einem Roman, der um die Kriegszeit herum spielt, nicht ohne Schicksalsschläge. Nachdem die Kinder jedoch adoptiert worden sind, passiert lange Zeit erst einmal nichts mehr. Die jungen Liebenden fügen sich in den Alltagstrott und stehlen sich ab und zu gemeinsame Stunden, aber die Gefühle kommen gar nicht wirklich an - Szenen wie der erste Kuss werden viel zu schnell abgehandelt, um etwas in einem zu wecken. Natürlich sind die beiden in einer schwierigen Situation gefangen, die einen selbst ebenfalls zum Nachdenken anregt, aber diese hätte auch deutlich gekürzt werden können. Hunderte Seiten erfährt man, wie sie ihr Leben getrennt voneinander verbringen, was irgendwann nur noch ermüdend ist. Das ist schade, wenn man bedenkt, wie atmosphärisch die Autorin sowohl von den Schrecken des Krieges als auch vom Mauerbau bzw. der DDR erzählt. Bis zum Ende konnte ich mich nicht mehr wirklich in die Geschichte einfinden, und zudem ist der Schluss auch noch äußerst melodramatisch geraten. Auf weniger Seiten hätte das Ganze eventuell besser funktioniert.
FAZIT
Bücher, die im und um den 2. Weltkrieg spielen, gibt es einige, aber man findet unter ihnen auch oft besondere Perlen. Anfangs hatte ich dieses Gefühl auch bei "Wie der Wind und das Meer", weil Lilli Beck gefühlvoll und gut recherchiert diese Zeiten der Schrecken und Entbehrungen, der Sehnsucht und Hoffnung beschreibt. Die verbotene Liebesgeschichte konnte mich aber nur wenig fesseln und insgesamt hatte das Ganze einfach zu viele Längen. Sehr knappe 3 Punkte.
Bücher, die im und um den 2. Weltkrieg spielen, gibt es einige, aber man findet unter ihnen auch oft besondere Perlen. Anfangs hatte ich dieses Gefühl auch bei "Wie der Wind und das Meer", weil Lilli Beck gefühlvoll und gut recherchiert diese Zeiten der Schrecken und Entbehrungen, der Sehnsucht und Hoffnung beschreibt. Die verbotene Liebesgeschichte konnte mich aber nur wenig fesseln und insgesamt hatte das Ganze einfach zu viele Längen. Sehr knappe 3 Punkte.
Meine Empfehlung für Liebhaber von Liebesgeschichten voller Hindernisse, die auch jahrelange Trennungen beinhalten.
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