[Buchrezension] Magonia - Maria D. Headley
Der Kopf der Eule dreht sich einmal komplett nach hinten und dann wieder zurück, wie der Globus im Geschichtsunterricht, ein verbeultes Ding aus den Siebzigern voller Bleistiftspuren. Sie hat schwarze Flecken in weißen Haaren. Ihr Gesicht ist von Sommersprossen übersät, und ihre Haut ist blass und irgendwie silbrig.
Ihre Finger sind gelb und schuppig mit schwarzen Nägeln. An jedem steckt ein Goldring, die wiederum alle miteinander verbunden sind. Die Ringe sind an etwas anderem befestigt, unter ihren Kleidern. Ich kann Ketten entlang ihrer Arme sehen.
Eine Art Geschirr? Ist sie eine Gefangene?
Bin ich eine Gefangene?
In welchem Land? Im Himmel? Moment mal, was für ein Himmel? Ich glaube nicht an den Himmel.
"HILFE!", rufe ich wieder.
Seit sie denken kann, bekommt die junge Aza nicht genug Luft, scheint regelrecht an der Luft zu ertrinken und niemand kann sich erklären, was sie hat. Ihre Familie und ihr bester Freund Jason versuchen ihr so gut es geht zu helfen, aber langsam scheint der Kampf verloren. Kurz vor ihrem 16. Geburtstag hat Aza dann einen so schlimmen Anfall, dass sogar ein Rettungshubschrauber gerufen wird - doch es ist bereits zu spät, sie stirbt. Und erwacht kurz darauf wieder, allerdings an einem anderen Ort: Magonia. Einem Himmelreich, bewohnt von seltsamen Vogelwesen und blauhäutigen Magoniern. Aza scheint eine von ihnen zu sein, aber diese Erkenntnis ist extrem befremdlich und angsteinflößend. Trotzdem scheint sie im Kampf der Magonier um Selbstbestimmung und Freiheit eine entscheidende Rolle zu spielen...
MEINE MEINUNG
Maria D. Headleys Debüt "Magonia" ist gleichermaßen ganz besonders und altbekannt. Es ist die übliche Geschichte eines eigentlich ganz normalen Mädchens, das übermenschliche Kräfte entwickelt und damit diejenigen retten muss, die ihr lieb sind. Mit diesem Grundgerüst verwebt die Autorin aber außergewöhnliche Ideen, halb Fakt und halb Fiktion. Mit ihrer von Stilmitteln durchsetzten Schreibweise schafft Headley eine wunderbare Atmosphäre, die einen einsaugt und insbesondere auf den ersten 100 Seiten erst sehr mitgenommen wieder ausspuckt. Die meiste Zeit erzählt Aza selbst aus der Ich-Perspektive, zwischenzeitlich kommt jedoch auch ihr bester Freund Jason zu Wort.
Das erste Viertel über hat mir Aza am Besten gefallen - trotz ihrer Krankheit und der Aussicht bald sterben zu müssen, ist sie stark, gewitzt und mutig. Eine oft so nervige Blauäugigkeit besitzt sie zu diesem Zeitpunkt gar nicht...entwickelt sie aber, sobald sie in Magonia ankommt. Sie beginnt sehr schnell, offensichtlich ominösen Personen zu vertrauen und agiert viele Seiten über extrem passiv. Erst zum Schluss findet sie zu alter Stärke zurück. Ihr bester Freund Jason dagegen ist durchweg ein besonderer Kerl, der sie mit seiner ebenfalls exzentrischen Art perfekt ergänzt. Er ist gutherzig und übertrieben intelligent, ohne einen damit aber zu nerven. Bei den Nebenfiguren können vor allem die Magonier mit ihrer schrillen Unterschiedlichkeit überzeugen - von helfenden Vogelmenschen über misstrauische blaue Magonier bis hin zu gruseligen Breaths ist alles dabei, was dafür sorgt, dass es nicht langweilig wird.
Ich hätte tatsächlich nichts dagegen gehabt, meine Lesezeit nur mit der kranken Aza zu verbringen, die trotz ihrer Schwäche so viel Charakter zeigt. Die 100 Seiten bis zu ihrem Eintreffen in Magonia sind tieftraurig und doch wunderschön, herzergreifend und mitreißend - sodass ich mir einige Tränen nicht verkneifen konnte. Mit dem Wechsel in den Himmel als Schauplatz und den vielen Veränderungen inklusive Azas Fähigkeiten muss man danach erst einmal klar kommen. Dass Magonier mit ihrem Gesang die Elemente beeinflussen können, dass Sturmwale mit Gewittern ihre Anwesenheit verdecken, dass Vögel zu Menschen werden, das alles ist so besonders wie auch verwirrend. Leider fand ich den Fortgang der Geschichte an einigen Stellen zu vorhersehbar, insbesondere die Motive einiger der agierenden Figuren habe ich schnell durchschaut. Zum Glück nimmt das Ganze zum Ende hin noch einmal richtig Fahrt auf, wird spannend und überraschend, ohne übertrieben zu wirken. Einiges wird gelöst, aber noch mehr bleibt offen, weswegen einer Steigerung in Band 2 nichts im Wege stehen dürfte.
FAZIT
"Magonia" hat zwar das bekannte Grundgerüst des normalen Mädchens, das unglaubliche Fähigkeiten entdeckt, kann aber mit den besonderen Details faszinieren. Zwischenzeitlich fand ich den Verlauf zu vorhersehbar, der Schluss macht dafür jedoch richtig Lust auf den Nachfolger. Knappe 3,5 Punkte.
Originaltitel: Magonia
Reihe: Magonia
Autor: Maria D. Headley
Übersetzer: Julia Walther
Verlag: Heyne fliegt
Seitenzahl: 368 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-27017-6
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