Back Down to Earth


[Buchrezension] Flamingos im Schnee - Wendy Wunder

Sie kramte gerade nach ihrem Schlüssel, als ihr jemand auf die Schulter tippte.
"Willst du den Flamingo nicht bezahlen?"
Mist, dachte Campbell, doch bevor sie "Welcher Flamingo?" sagen konnte, merkte sie es schon. Es fühlte sich an wie Angst, nur stärker. Sie spürte einen kalten Luftzug, und ihr linker Arm begann, heftig zu zittern. Ihr Kopf schien sich mit Luft zu füllen wie ein Ballon. Ein Elektroschock schoss durch ihre Wirbelsäule, ihr wurde schwindelig, und sie verlor das Gleichgewicht. Als wäre sie vom Blitz getroffen worden.
Dann wurde alles schwarz.

INHALT
Campbell hat Krebs und sich nach jahrelangem Kampf aufgegeben. Doch ihre Mutter macht es ihr nicht so leicht - sie hat alles für sie getan und sieht es nicht ein, das jetzt zu unterlassen. Von einem Kumpel hat sie von der Stadt Promise in Maine gehört, in der Wunder wahr werden sollen. Kurzerhand packt sie ein paar Sachen und zieht mit Campbell und deren Schwester Perry dorthin. Und tatsächlich: Es schneit im Juni, Regenbogen entstehen ohne Regen und eine Schar Flamingos landet viel zu weit im Norden. Campbell glaubt an Zufälle. Bis sie dem jungen und gut aussehenden Asher näher kommt und merkt, was Glück ist...

MEINE MEINUNG
Bücher über Krebs und den Umgang damit in Verbindung mit einer jugendlichen Selbstfindungsgeschichte sind in letzter Zeit recht groß im Kommen. Wendy Wunders "Flamingos im Schnee" schlägt da in der ein oder anderen Hinsicht jedoch einen phantastischen Weg ein und überzeugt so mit einer in vielerlei Hinsicht neuen Idee. Überraschend ist, dass die Geschichte personal aus Campbells Sicht erzählt wird und nicht, wie gewohnt, aus der Ich-Perspektive. Der Schreibstil ist jugendlich, aber nicht umgangssprachlich, und kann mit wunderschönen Beschreibungen trumpfen.

Campbell ist eingangs eine etwas schwierige Person. Sie hat schon lange Krebs und dementsprechend keine Hoffnungen mehr auf Heilung, vor allem, seit ihr die Ärzte genau dies mitgeteilt haben. Sie glaubt nicht an Wunder und vermiest mit ihrem Pessimismus des Öfteren die Stimmung. Gleichzeitig ist sie jedoch herrlisch sarkastisch und ihre Wandlung im Laufe der Handlung sehr nachvollziehbar. Nachbar und baldiger Love Interest Asher ist stereotyp gut aussehend und muskulös, besitzt aber lange Haare - was mir sehr gefiel. Er ist anders auf eine sehr interessante Art und wird nicht in den Vordergrund gestellt. Seine freundliche, hilfsbereite Art sowie seine witzigen Sprüche machen ihn definitiv zu einem sehr sympathischen Charakter.

Campbells Mutter ist eine entschlossene und kämpferische Frau, die es allerdings mit ihrer Entscheidung, ihrer Tochter in Hinsicht auf deren Krankheit keine Wahl zu lassen, manchmal etwas übertreibt. Dennoch ist sie mit ihrer absoluten Liebe für ihre Kinder eine sehr liebenswürdige Person. Schwester Perry ist diejenige, die immer zurückstecken muss und dies auch mal deutlich macht. Ihre Rolle ist schwierig, aber sehr authentisch dargestellt. Und auch Figuren wie die emotionale, peinlich-lustige Großmutter oder Ashers Tante füllen das Buch mit Leben und sorgen oftmals für halbe Lachanfälle, weil die Kommentare wunderbar trocken und komisch sind.

Die Geschichte selbst ist einerseits berührend traurig - auch wenn Campbell nicht viel über ihre Krankheit spricht - und andererseits sehr skurril. Die Protagonistin beschließt irgendwann, den Wundern nachzuhelfen und stellt einiges an; klaut einen Esel und Tomatenpflanzen oder rettet ein Flamingobaby. Diese Ereignisse sorgen für einige Lacher, gleichzeitig gelingt es der Autorin aber sehr gut, auch die düsteren Seiten aufzuzeigen: Cams Schmerzen, den Verlust ihres normalen Lebens und den Tod einer guten Freundin sowie ihr eigenes ihrer Meinung nach unmittelbar bevorstehendes Ende. Während ich für die ersten 100 Seiten noch etwas brauchte, gewöhnte ich mich danach schnell an die Figuren und den Erzählstil, sodass ich mich voll hineinfallen lassen konnte.

Die Liebesgeschichte zwischen Asher und Campbell entwickelt sich sehr langsam und kommt erst ab circa Seite 200 wirklich zum Tragen. Die meiste Zeit über ist sie eher ruhig, aber sehr gefühlvoll und dabei absolut glaubwürdig. Alle Charaktere entwickeln sich auf ihre Weise weiter, was zum Teil auch an den zauberhaften Ereignissen liegt, die Wendy Wunder des Öfteren einbindet und mit denen sie aufzeigt, dass es immer etwas gibt, wofür es sich zu leben lohnt. Bis zum Schluss trägt man ein Lächeln auf den Lippen, auch dann, als es eigentlich nichts mehr zum Lächeln gibt. Bei mir flossen so einige Tränen; sensible  Leser sollten sich also Taschentücher bereitlegen. Und dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen - denn eines ist sicher: Dieses Buch ist ganz sicher absolut lesenswert!

FAZIT
Wendy Wunder ist mit "Flamingos im Schnee" etwas sehr Besonderes  gelungen, das verzaubert, zum Lachen bringt und tief berührt. Die ersten 100 Seiten ziehen sich etwas, dann jedoch reißt das Werk mit und lässt einen die verschiedenen Charaktere lieb gewinnen. 4,5 Punkte und eine große Empfehlung!



Titel: Flamingos im Schnee
Originaltitel: The Probability of Miracles
Autor: Wendy Wunder
Übersetzer: Karin Diemerling
Verlag: Goldmann
Seitenzahl: 352 Seiten
ISBN-13: 978-3442313235


  4 Kommentare:

  1. Ich habe jetzt schon wirklich viele Rezensionen über das Buch gelesen und du hast meine Meinung nur bestätigt, dass ich mir das Buch AUF JEDEN FALL kaufen werde ;)!
    Obwohl ich bestimmt auch anfangen werden zu weinen, da ich bei Büchern ( und Filmen) sowieso sehr nah am Wasser gebaut bin...
    Naja, so ist es eben :D.

    Schöne Rezension!

    Liebe Grüße Clara :)

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  2. Morgen Sonne!
    Der Krebs als Thema bietet sich an, wenn es um die verdammte Kürze eines Lebens geht. Jedem sind die Umstände bekannt innerhalb derer die Figuren aufgebaut werden.
    In den frühen Tagen des Romans war es die Schwindsucht.

    Ihre Mutter, denke ich, verbirgt ihre Verzweiflung hinter all dem "dagegen ankämpfen", während Camp den Abschied aufnimmt.

    Für Dich ein Buch für öfter?

    "Funny & entertaining" - mir graust regelmäßig vor den Schlagworten, auf die Kritiken (hier aus der New York Times) eingedampft werden.
    Apropos Cover!
    Die hiesige Ausgabe gefällt mir bei weitem besser.

    "Campbell" als weiblicher Vorname???

    bonté

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  3. Jetzt machst du mir dieses Buch aber äußerst schmackhaft! Viele sind ja regelrecht begeistert von dem Buch, ich habe aber noch gezögert bzw. mein Geld erst einmal auf andere Bücher gesetzt. Wie mir scheint, ein Fehler! Die Taschentücher müsste ich dann schon mal bereithalten, denke ich. Ich bin zwar nicht ganz so der sensible Typ bei Büchern, aber bei solchen Romanen bleibt bei mir dann auch oftmals kein Auge trocken. Derzeit lese ich "Ein ganzes halbes Jahr! von Jojo Moyes und hier muss ich hin & wieder schon stark schlucken. Auf den letzen Seiten werden dann vorsichtshalber schon mal die Tempos gezügt. Ich ahne nämlich schon böses für meine Tränendrüsen. :)

    LG, Reni

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  4. @Clara:
    Habe vorhin irgendwann auf deinem Blog gelesen, dass du bisher nicht so übermäßig begeistert bist von dem Buch - ich weiß nicht, wo du bist, aber ich kann nur sagen, dass mir das die ersten 100 Seiten auch so ging. Aber dann gewöhnte ich mit an Cam als Protagonistin und von da an wurde es viel besser und noch sehr emotional ;) Ich hoffe sehr, dass es dir auch so geht, dass brauchst du die Taschentücher aber auf jeden Fall!

    @RoM:
    Englische/Amerikanische Buchcover werden sehr, sehr oft mit solchen Slogans vollgekleistert und dann oftmals noch Slogans, die gar nicht dazu passen [was bitte ist an Krebs witzig?]. Daher mag ich manchmal auch tatsächlich unsere Cover viel lieber ;)
    Campbell und auch ihre Schwester Perry beschweren sich im Buch übrigens auch öfter über ihre Namen - das war Absicht der Mutter :D Also in gewisser Weise...
    Ob ich das Werk noch einmal lese, weiß ich nicht, aber es sieht jedenfalls toll aus im Regal!

    @Reni:
    Ich freue mich, dass du jetzt Lust auf das Buch hast! Ich kann aber vorher nur eines sagen: Du darfst nicht den Fehler machen und es mit John Green vergleichen, so wie es auf dem Cover angegeben wird. Green ist sehr viel emotionaler und noch ein wenig herzzerreißender, "Flamingos im Schnee" erzählt eher von den kleinen Wundern und ist anfangs etwas schwierig. Meiner Meinung nach lohnt es sich aber wirklich!
    Bin ansonsten schon sehr gespannt auf deine Rezension zu "Ein ganzes halbes Jahr" - ich fand auch, dass sich das sehr traurig anhörte...Vielleicht ja was für mich? ;)

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Die Bloggerin

Kittyzer, 22 Jahre alt, früher als Sonne bekannt. Gebürtige Niedersachsin, die für die Arbeit nach Rheinland-Pfalz gezogen ist. Schreibt über Bücher, Filme, Serien und Mainz. Um mehr zu erfahren, → klicke hier

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