Back Down to Earth


[Buchrezension] Liebe auf den zweiten Blick - Lynsay Sands

Sie wusste bloß, dass sie Adrian mochte, dass ihr langweilig war ohne ihn und dass sie in seiner Gesellschaft auflebte. Sie lachte gern mit ihm und genoss ihre Gespräche, und nach diesem einen Kuss...hatte sie bloß eins im Kopf: ihn wieder zu küssen.
Demnach war sie in ihn verliebt, vermutete Clarissa. Und es war das himmlischste Gefühl auf der Welt! Sie fieberte darauf, ihn wiederzusehen.
Blöderweise hatte sie keine Ahnung, wie sie das anstellen sollte.

INHALT
Clarissa Crambray hält sich mit ihrer Stiefmutter Lydia in London auf, weil diese ihrem Vater versprochen hatte, einen guten Mann für die Tochter zu finden. Um ihre Chancen zu verbessern, hat die biestige Frau ihr jedoch die Brille weggenommen - und ohne diese ist Clarissa jedoch so kurzsichtig, dass sie reihenweise Verehrer in die Flucht schlägt. Auf einem Ball jedoch lernt sie den charmanten Adrian Montfort kennen und die beiden fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Dies geht Lydia jedoch gehörig gegen den Strich, ist er doch von einer Narbe gekennzeichnet und als früherer Frauenheld verschrien. Clarissa muss sich also etwas einfallen lassen...

MEINE MEINUNG 
Lynsay Sands wurde mit einer Buchreihe über Vampire bekannt, nun werden auch ihre historischen Romane nach und nach ins Deutsch übersetzt. Diese handeln wie üblich  in der Romantic History von den Problemen junger Frauen mit Männern in einem früheren Jahrhundert. Der Schreibstil ist flüssig und recht angenehm zu lesen, hat aber ein großes Problem: Er ist an vielen Stellen überhaupt nicht zeitgemäß, was wohl zum großen Teil auf Übersetzerin Beate Darius zurückzuführen ist. Wenn in einem historischen Roman Ausdrücke wie "Verdammte Hacke" vorkommen, ist eindeutig etwas falsch - und das vermiest einem leider einen Großteil des Buches.

Protagonistin Clarissa ist eine süße und sehr sympathische Protagonistin mit einem Hang zu Selbstzweifeln und viel Naivität. Letztere ist nicht immer auffällig, lässt sie des Öfteren jedoch auch ein wenig dümmlich wirken. Sie macht eine Wandlung durch und wird selbstbewusster, dies ist allerdings besonders im Hinblick auf Freizügigkeit und Erotik nicht ganz glaubwürdig, wenn man bedenkt, wie unerfahren sie anfangs war. Love Interest Adrian ist dagegen durch und durch ein überaus ansprechender Charakter. Mit viel Witz und Charme nimmt er sowohl Clarissa als auch den Leser für sich ein, worüber hinaus man schnell vergisst, dass er eine Narbe im Gesicht trägt - oder es ist einem einfach egal.

Lydia ist tatsächlich ein Stiefmonster wie es im Buche steht und macht Clarissa und all ihren Mitmenschen das Leben ordentlich zur Hölle. Ihre Art ist absolut unausstehlich, wird am Ende jedoch erklärt - wenn auch eher unzureichend und zu einfach. Adrians Cousin Reginald ist ein sympathischer Zeitgenosse mit einer unterhaltsamen Art, der mir allerdings definitiv zu wenig vorkam. Insgesamt überzeugt die gesamte Familie Montfort durch eine sympathische Art, sowohl die  Mutter als auch die Schwester von Adrian bleiben allerdings zu blass, wodurch keine wirkliche Bindung aufgebaut werden kann. Und auch Clarissas Vater schließt man schnell ins Herz, greift der gegenüber Lydia doch endlich einmal durch - gleichzeitig ist er aber auch zu duldsam mit seiner Tochter. Dass er beispielsweise geduldig vor einer Garderobe wartet, während sich diese und Adrian ihrer Leidenschaft hingeben, ist doch eher unwahrscheinlich.

Die Geschichte selbst ist im Bereich der Romantic History durchaus mal etwas Neues, denn keiner der Hauptcharaktere ist perfekt. Im Gegenteil, während Clarissa unter starker Kurzsichtigkeit leidet und [eigentlich] eine für damalige Zeiten eher unschickliche Brille tragen muss, hat Adrian eine schreckliche Narbe davon getragen. So kommt es hier ausnahmsweise also mal nicht nur auf Äußerlichkeiten an - auch wenn beide Figuren dennoch als ausnehmend attraktiv beschrieben werden -, sondern auch auf das Innere. Die Beziehung der beiden entwickelt sich dabei relativ schnell, ist aber dennoch romantisch und erotisch. Clarissa selbst allerdings ist so naiv und unerfahren, dass sie nicht die geringste Ahnung von Dingen wie dem Liebesakt hat, woraus einige eher unangenehme Umschreibungen wie "Knüppel" oder "Pastetchen" resultierten, was ich ziemlich lächerlich fand.

Auch die Dialoge wirken des Öfteren überaus hölzern und gestellt, das könnte man jedoch vergessen, wäre die Übersetzung nicht so grausam. Durch für die Zeit völlig unpassende Begriffe und schrecklich ausgelutschte Phrasen hat man zwischenzeitlich das Gefühl, die Übersetzerin verstünde rein gar nichts von ihrem Handwerk. Wenigstens die Story kann weiterhin überzeugen: Denn die von der Stiefmutter ungern gesehene Beziehung zwischen Adrian und Clarissa ist gar nicht das Hauptproblem, viel mehr sind es die Missgeschicke letzterer, die nicht nur Zufälle zu sein scheinen. Die Auflösung der Person, die dahinter steckt, ist allerdings nicht besonders originell und das Verfahren mit ihr definitiv zu lasch. Mit einem durchaus schönen Ende und einem guten Abschluss gelingt es der Autorin jedoch, einen darüber wenigstens ansatzweise hinwegsehen zu lassen.


FAZIT
Lynsay Sands "Liebe auf den zweiten Blick" besitzt eigentlich eine wirklich nette Geschichte, die nicht nur von Äußerlichkeiten lebt und durchaus zu unterhalten weiß. Die unzeitgemäße und mit schrecklichen Phrasen gespickte Übersetzung jedoch lässt das Vergnügen schnell umschlagen in Ärger. Auch über die Naivität der Hauptperson ist leider nicht immer hinwegzusehen. Schade, hätte hier jemand anderes vom Englischen ins Deutsche übertragen, wäre die Wertung ganz sicher höher ausgefallen. So bleibt es leider bei nur knappen 3 Punkten.



Titel: Liebe auf den zweiten Blick
Originaltitel: Love is blind
Autor: Lynsay Sands
Übersetzer: Beate Darius
Verlag: Egmont LYX
Seitenzahl: 380 Seiten
ISBN-13: 978-3802589003


  5 Kommentare:

  1. Ich möchte das Buch ja eigentlich auch noch lesen...aber da ich die Englische Originalausgabe gelesen habe, lasse ich das glaube ich doch lieber sein - am Ende kriegt meine Meinung dazu doch noch einen "Sprung" aufgrund der Übersetzung ;)

    LG, Sabrina

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  2. @Lazuli:
    Also wenn du den Roman bereits auf Englisch gelesen hast, kann ich dir nur davon abraten, es noch einmal auf Deutsch zu tun - denn die Übersetzung ist wirklich einfach nur furchtbar. Ich wünschte, ich hätte es auf Englisch gelesen :D

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  3. Salut!
    Zweifach die Erwähnung des umgangssprachlichen "Bloß" allein im kurzen Zitat. Hier sträuben sich einem die sprachlichen Nackenhaare ganz gewiß.
    Dennoch will ich die Übersetzerin ein klein wenig in Schutz nehmen. Möglicherweise ein kurzfristiger Abgabetermin; wenn dann noch eine schlechte Bezahlung winkt ist die Motivation rasant bei Null.

    Clarissas Unwissenheit in puncto la amour ist eigentlich nicht zu verwunderlich, denn in der gesellschaftlichen Prüderie schickte es sich nicht für "eine junge Dame von Anstand" in solchen Angelegenheiten bewandert zu sein. Im schlimmsten Fall wurde ihnen "Duldungsstarre" mit in die Ehe gegeben. Immerhin ist das "eheliche Vergnügen" in den aufgeklärten ("") Kreisen nicht mehr als Sünde deklariert.

    Ein sich zugeneigtes, offenes Paar hätte in der Liebesnacht wohl authentischer vom "kleinen Prinz" oder dem "duftigen Rosengarten" geflüstert - stimmt!

    Hier also besser gleich zum Original greifen.

    bonté

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  4. @RoM:
    Soweit ich das aus anderen Rezensionen heraus gelesen konnte, ist Übersetzerin Beate Darius wohl bekannt für ihre nicht zeitgemäßen und umgangsprachlichen Formulierungen. Hier sollte sich der Verlag entscheiden: Behält er die Dame oder setzt er sie woanders ein, um den Lesern sozusagen eine Freude zu bereiten?
    Zur Liebe bzw. zum Sex: Mir ist durchaus bewusst, dass das Ganze zur damaligen Zeit eher verschwiegen wurde und nur selten wirklich zum Ausdruck kam. Die Dinge wurden aber so lächerlich beschrieben, dass man sich wirklich fremdschämen musste. Vor allem, weil mit derlei Umschreibungen dann das Verhalten des Vaters nicht zusammenpasste.
    Bücher, die von Beate Darius übersetzt wurden, werde ich jedenfalls in Zukunft nicht mehr anfassen geschweige denn lesen!

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  5. Ich habe das Buch im SUB, leider habe ich vorher keine Leseprobe gelesen, denn dann wäre mir die schlechte Übersetzung gleich aufgefallen. Zum Glück werden die nächsten Romane von Lynsay Sands von jemanden anderen übersetzt!

    Lg Marina

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Die Bloggerin

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