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[Buchrezension] Die Prophezeiung der Seraphim - Mascha Vassena

"Meine Pflegeeltern wollten, dass ich gegen Cal kämpfe. Ich bin sicher, dass auch Rhea das wollte. Es war ihr Plan, dass ich und mein Bruder unseren Vater aufhalten." Sie biss sich auf die Unterlippe. "Wenn ich nur wüsste, wo er steckt!"
"Eigentlich wollte ich dir das nicht erzählen", sagte Nicolas nach einer Weile, "aber wie es scheint, haben wir gerade beschlossen, den Erzengel herauszufordern. Wenn ich dich nicht davon abhalten kann, kannst du es ebenso gut erfahren: Seit einiger Zeit hat meine Mutter einen Gast, einen Jungen, der Ruben heißt. Er trägt das gleiche Amulett wie du."

INHALT
Julie hat zwar schon immer gewusst, dass sie anders ist - immerhin kann sie mit ihrer Katze sprechen -, aber was sie an ihrem Geburtstag erfährt stellt dennoch ihre ganze Welt auf den Kopf: Ihre Eltern sind nicht wirklich ihre Eltern, sie hat magische Kräfte, einen Zwillingsbruder und ihr Vater, ein Engel, will sie für seine Zwecke benutzen. Als wäre das nicht schon genug, muss sie gemeinsam mit ihrem Kindheitsfreund Fédéric und dem arroganten Nicolas fliehen. Unterwegs ist die Gruppe nicht nur allerlei Gefahren ausgesetzt - bald findet sich Julie auch noch in einem verwirrenden Liebeschaos wieder. Und ganz nebenbei muss sie irgendwie einen Weg finden, ihren Vater zu besiegen...

MEINE MEINUNG
Mascha Vassena versucht mit "Die Prophezeiung der Seraphim" in Sachen Engel auf neuen Wegen zu wandeln. In vielerlei Hinsicht anders ist die Geschichte in der Tat auch - nur über einige Mängel kann dieser Aspekt nicht hinwegtäuschen. Erzählt wird der Roman hauptsächlich aus der personalen Sicht von Julie, zwischenzeitlich wird sie auch von ihrem Zwillingsbruder Ruben abgelöst. Der Schreibstil ist dabei jugendlich und meistens flüssig, wirkt aber manchmal etwas gestelzt und aufgesetzt. Dass das Werk ein historisches Setting besitzt, wird kaum deutlich - nur in den Jahreszahlen an den Kapitelanfängen und manchen Ortsbeschreibungen. Hier hätte ich mir durchaus etwas mehr gewünscht, zumal auf der einen Seite der damaligen Zeit angepasste Ausrufe und dann gleichzeitig Worte wie "Arsch" oder "Scheiße" verwendet werden.

Protagonistin Julie ist für ihre 15 Jahre ein durchaus recht reifes und cleveres Mädchen, das sich normalerweise nichts vorschreiben lässt. Natürlich ist sie auch ängstlich und verletzlich, oftmals schafft sie es aber, auf sich selbst oder andere aufzupassen. Ihre Art ist oft sorgenvoll, manchmal allerdings verfällt sie in ein Muster und wird zickig und aufmüpfig - dies gehört allerdings wohl einfach dazu. Ihr Bruder Ruben konnte mich eher weniger überzeugen. Trotz seiner schweren Kindheit scheint er kein Stück erwachsen zu werden. Stattdessen lässt er sich manipulieren und immer wieder belügen, ist albern, kindisch und furchtbar naiv. Das nahm schließlich so überhand, dass ich nur noch genervt war, was nie eine gute Ausgangslage ist. Zwar wird seine geringe Weitsicht auch von den anderen Charakteren des Öfteren angemerkt, dennoch war mir das irgendwann doch zu viel des Guten.

Julies bester Freund Fédéric dagegen ist ein sympathischer Junge mit Witz und Charme. Seine Art ist freundlich und gutmütig, besonders aber merkt man von Anfang an, wie viel ihm an dem Mädchen liegt. Sein Verhalten ist zwischendurch aber auch ein wenig kindlich, was nicht ganz mit den Bartstoppeln zusammenpasst, die gegen Ende erwähnt werden - besonders, wenn er sich mit dem reichen Grafensohn Nicolas Wortgefechte um Julies Gunst liefert. Mit letzterem wurde ich wieder gar nicht warm - zu arrogant, zu unnahbar. Das mag aber auch daran liegen, dass ich mir schnell meinen Favoriten gesucht habe. Die übrigen Charaktere, besonders die auf der bösen Seite, sind hauptsächlich eindimensional, vor allem Erzengel Cal, der nur grausam und skrupellos ist. Eine Ausnahme bildet da die Comtesse, bei der Ruben zeitweilig unterkommt. Sie versteht sich herrlich im Manipulieren und ist wunderbar undurchschaubar, was frischen Wind mitbringt.

Interessant an der Geschichte ist, dass die Engel hier keine typischen Engel sind, sondern viel mehr etwas wie Dämonen - und ohne Flügel. Julies und Rubens Vater will eine alte Prophezeiung wahr machen und seine Flügel und Macht zurückerhalten, um die Menschen zu unterwerfen. Um dies zu verhindern machen es sich die Jugendlichen zum Ziel, ihn aufzuhalten. Immer mit von der Partie ist Wächterkatze Songe, die gleichzeitig schlau und liebenswürdig ist. Der Spannungsbogen jedoch steigt nur selten in die Höhe und bleibt die meiste Zeit auf einem eher mittelmäßigen Niveau: Denn die Reise der Freunde ist nicht wirklich fesselnd, wird nur selten von vereinzelten Kampfszenen unterbrochen und besteht hauptsächlich aus den Streitereien der Jungen um Julie - was irgendwann arg ermüdend wird.

Sowieso lässt die Liebesgeschichte eher zu wünschen übrig. Julie findet Nicolas anziehend, aber Fédéric irgendwie auch, dann küsst sie den und dann den...Für mich war das Ganze leider nicht fühlbar, was den Romantikanteil in meinen Augen recht überflüssig machte. Im letzten Drittel wird dafür die Geschichte endlich spannender, denn durch einen freundlichen Helfer gibt es eine Chance, den Erzengel zu besiegen. Einige Hindernisse stellen sich der Gruppe in den Weg und diese werden überraschen authentisch nicht immer ohne Verluste überwunden. Zum Schluss gibt es ein paar kleine Auflösungen, die aber nicht groß überraschend sind. Dafür erwartet den Leser ein wirklich gut beschriebener und mitreißender Showdown, der in ein ruhiges Ende ohne große Entscheidungen mündet. So stellt es zufrieden - bleibt aber wohl nicht lange im Gedächtnis.

FAZIT
Mascha Vassena gibt sich mit ihrem Roman "Die Prophezeiung der Seraphim" große Mühe, die Engel neu darzustellen. Das gelingt ihr auch in Ansätzen, allerdings scheitert sie am Spannungsbogen und an den Charakteren. Das Ganze wirkt die meiste Zeit etwas unausgegoren und eher wenig fesselnd, was auch der spannende Schluss nicht ändern kann. So bleibt es bei 3 Punkten - Potenzial ist aber da!



Titel: Die Prophezeiung der Seraphim
Originaltitel: -
Autor: Mascha Vassena
Übersetzer: -
Verlag: Heyne fliegt
Seitenzahl: 416 Seiten
ISBN-13: 978-3453267497


  2 Kommentare:

  1. Grüß Dich, Sonne.
    Eine klassische Queste also. Mit amourösen Techteleien. Bergen, Seen und Wäldern, eingefügt in eine durchwanderte Landschaft. Dazu Sträucher voller Diebe (wahlweise anderes Unheil) sowie ein böser Bösewicht mit Bosheit. Aufgelegt zu sinistrem Tun (das sardonische Lachen mußt Du Dir jetzt denken).
    Nicht zu vergessen, der rubensche pain in the ass.

    Dabei wäre die Thematik um Engelsfiguren ergiebig für so manche bissige Story.

    bonté

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  2. @RoM:
    Das Thema Engel hat sicherlich so einige noch offene Aspekte und kann wunderbar umgesetzt werden - nur tun es leider die wenigsten Autoren...
    Und ja, der Bösewicht war voller Bosheit. So sehr. Nur reicht das eben nicht zur charakterlichen Stärke ;)

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Die Bloggerin

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