Back Down to Earth


[Buchrezension] Hourglass: Die Stunde der Zeitreisenden - Myra McEntire

"Geht." Michael sah mich flehend an. "Passt auf euch auf."
Er trug John Doe ins Labor, und Liam und ich eilten über den Rasen davon. Kurz bevor wir das Haus erreicht hatten, hörte ich einen kurzen Schrei, gefolgt von Gelächter.
Dann ging die Welt in Flammen auf.

Inhalt:
Emerson hat nicht leicht: Nicht nur, dass ihre Eltern vor ein paar Jahren bei einem Unglück ums Leben gekommen sind, sie sieht auch noch Geister. Sie hält sich selbst für verrückt und traut sich kaum, sich auf andere einzulassen. Dies ändert sich, als ihr Bruder den Berater Michael Weaver für sie findet. Dieser gehört zur Organisation Hourglass, die auf Menschen wie Emerson spezialisiert ist - denn was sie nicht wusste, ist, dass eine besondere Gabe damit zusammenhängt, dass sie die Gestalten sehen kann. Sie kann durch die Zeit reisen, gemeinsam mit Michael sowohl in die Zukunft als auch in die Vergangenheit. Doch diese Fähigkeiten bringen sie in große Gefahr...

Buchaufmachung:
Eine Sanduhr hätte wegen des Titels wohl am Besten auf das Cover gepasst. Aber auch so ist dieses ein echter Eyecatcher in dem farblosen Weiß-Grau mit den hervorstechenden blauen Schmetterlingen und dem Mädchen auf der Klippe. Bezug? Fehlanzeige. Aussehen? Wunderbar! Mir gefällt es, auch wenn es nicht viel aussagt.

Meine Meinung:
Die Kritiken zu "Hourglass" sind einmal wieder sehr durchwachsen. Die einen empfinden es als spektakulär, die anderen eher als mittelmäßig. Aufgrund der tollen Story und der schönen Gestaltung wollte ich mir gern selbst ein Bild machen - und weiß jetzt ehrlich gesagt nicht so ganz, was ich davon halten soll...

Der Plot ist interessant gestaltet, besonders der Anfang zieht den Leser gleich in die Geschichte. Dass Emerson nach ihrem Aufenthalt in der Psychiatrie aufgrund dessen, was sie sieht und erlebt hat, nur schwer wieder Vertrauen zu Menschen fassen kann, ist zu verstehen. Ihre Vergangenheit ist glaubwürdig und einfühlsam geschildert, doch der Aspekt des sich abschottenden Mädchens ist zu wenig vorhanden und lässt das Ganze an dieser Stelle gewollt wirken. Myra McEntires Schreibstil ist für ein Jugendbuch ausgesprochen schön und wirkt an manchen Stellen sogar traumhaft. Die Beschreibungen sind bildlich, kommen aber im Bezug auf die Figuren deutlich zu kurz, denn diese konnte ich mir selten richtig vorstellen.

Emerson ist eine sympathische Hauptperson, die aus der Ich-Perspektive ihre Erlebnisse erzählt. Sie  erscheint anfangs noch recht harmlos, mausert sich aber im Laufe der Handlung zu einer schlagfertigen jungen Frau. Nur in Verbindung mit gut aussehenden Kerlen verwandelt sie sich mir nichts, dir nichts in ein rot anlaufendes, schwärmendes Girlie. Michael sieht klasse aus, ist zärtlich, liebevoll, weiß sich auszudrücken und ist auch noch ein kleines bisschen geheimnisvoll. Kurzum: Er ist perfekt. Zwar erscheint er ganz nett und er erzeugt zwischendurch auch ein ganz feines Prickeln - ansonsten aber ist der Gegenpart der Protagonistin platt und ausdruckslos. Ohne Ecken und Kanten wirkt er leider einfach langweilig.

Emersons Bruder Thomas und dessen Frau Dru sind die Charaktere im Buch, die mir am meisten gefielen. Tolerant, aber dennoch autoritär geben sie dem Mädchen eine Familie und überzeugen mit Willenskraft und liebevollen Gesten. Die Mitarbeiter von Hourglass sind einmal wieder hauptsächlich perfekt: Da ist die schöne Ava, die Emerson Michael streitig machen will, da ist Cat, die Leiterin, ebenfalls toll anzusehen, und Kaleb, der das Mädchen zu verstehen scheint und dabei - wie könnte es anders sein - wahnsinnig gut aussieht. Von der Art her mochte ich diesen, besonders, da er einige freche Sprüche auf Lager hat, aber ansonsten ist er eine ebenso blasse Figur wie die übrigen. Aus diesem Bild fällt vielleicht einzig der Bösewicht, der trotz, oder gerade wegen, der Skrupellosigkeit auf mich sehr interessant wirkte.

Myra McEntire hegt ansonsten einen eindeutigen Hang zum Perfektionismus - jedenfalls was die Personen und die glatt gestriegelte Geschichte angeht. Jeder einzelne Charakter ist so wunderbar und wird so dermaßen auf Äußerlichkeiten [bevorzugt die Lippen, Augen oder den Bizeps] reduziert, dass dies irgendwann keinen Spaß mehr macht. Auch der Plot ist in der ersten Hälfte eher unspannend und dreht sich völlig um die Gefühle Emersons zu Michael und ein paar kleinere Geheimnisse, die sie aufdeckt. Erst danach wird das ganze langsam weniger konstruiert und entwickelt sich zu einer eigenständigen Geschichte, die auch eindeutige Spannungsmomente und zwischendurch sogar leicht kribbelnde Romantik aufweisen kann.

Zum Ende hin wird es sogar richtig gut - denn die Geschehnisse wissen zu fesseln, besonders, da auch endlich das Thema Zeitreise aufgegriffen wird. Bis es dazu kommt, dauert es lange, aber das Warten lohnt sich. Die Art zu reisen fand ich sehr interessant gestaltet und wohl überlegt, wenn sie auch anders ist als man es vielleicht erwarten würde. Einige vorhersehbare Wendungen treten ein, doch auch ein bis zwei Überraschungsmomente gibt es, die eine tolle Wirkung ausüben. Der Schluss weist keinen großen Cliffhanger auf, lässt aber deutlich werden, dass es im nächsten Teil mit der Suche weitergeht. Mal schauen, ob ich mir den zulege...

Fazit:
"Hourglass" wird sicherlich viele begeistern, mich konnte es aufgrund der vielen glatten, perfekten Figuren, der etwas langweiligen ersten Hälfte und des viel zu wenig vorkommenden Zeitreisens leider nicht komplett mitreißen. Ein nettes Buch für Zwischendurch, mehr aber nicht. 3 Punkte.


Kaufen? Kaufen!

Herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar!

http://randomhouse.de/goldmann

  5 Kommentare:

  1. Ich war auch nicht hundertprozentig überzeugt... Aber einen kleinen Tick besser als Durchschnitt fand ich es. Wirst du weiterlesen?

    Lg

    Steffi

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  2. Mich hat vorallem der Schreibstil begeistert =) Ich mag die Ironie total

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  3. @his + her books:
    Mhm, wohl eher nicht. Das Grundgerüst finde ich ganz interessant, aber ich habe bisher [beinahe] noch nie eine Reihe weitergelesen, wenn mich schon Band 1 nicht mit mindestens 4 Punkten überzeugt hat. Das lohnt sich oftmals nicht. Aber wer weiß, vielleicht überkommt es mich mal ;)

    @Wonder:
    Ja, der Schreibstil ist wirklich schön, das spreche ich ja auch an. Besonders für ein Jugendbuch. Die Ironie war mir manchmal etwas zu gewollt - ich spreche ja selbst fließend ironisch und sarkastisch, daher bin ich da immer etwas skeptisch :D

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  4. Ich bin skeptisch und gespannt, aus eben den o. g. Gründen - viel Gutes und Schlechtes gehört. Ok, mehr als das was du beschreibst, erwarte ich jetzt mal nicht und ich denke, es könnte mir ähnlich ergehen. Wir werden sehen. Ich habs gedanklich nämlich schon ertauscht, jetzt muss "Hourglass" nur noch bei mir eintreffen. Und yeah, besser als "Finding Sky", wenn es nach dir geht. Das will wohl was heißen. ;) Schöne Rezi!

    liege Grüße
    Reni

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  5. @Reni:
    Damaris fand es ja ebenso mittelmäßig wie ich, ich bin da also nicht allein. Die Grundidee und der Schreibstil sind schön, aber es überzeugt eben nicht alles...Bin mal gespannt, was du dazu sagst, sobald du es besitzt ;) Und ja, besser als "Finding Sky" ist es allemal, aber das ist auch nicht soo schwer :D

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Die Bloggerin

Kittyzer, 22 Jahre alt, früher als Sonne bekannt. Gebürtige Niedersachsin, die für die Arbeit nach Rheinland-Pfalz gezogen ist. Schreibt über Bücher, Filme, Serien und Mainz. Um mehr zu erfahren, → klicke hier

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