Back Down to Earth


[Buchrezension] Totentöchter - Lauren DeStefano

"Ich verschwinde von hier!", schreie ich. "Komm mit! Lauf mit mir weg!"
Aber er sagt nur: "Rhine! Rhine!", mit wachsender Verzweiflung. Ich glaube, er hört gar nicht, was ich sage. Er hält die Arme auf. Ich verstehe nicht, warum. Ich verstehe nicht, was er mir zubrüllt, bis ein unglaublicher Schmerz auf meinen Hinterkopf schmettert und ich ihm in die offenen Arme falle.

INHALT
Rhine wächst in einer Welt auf, in der die Frauen mit 20 sterben und die Männer mit 25. Daher werden Mädchen oft von der Straße geraubt und in polygame Ehen gezwungen. So geht es auch ihr eines Tages - und wird von da an mit zwei anderen Bräuten, genannt Schwesterfrauen, im Anwesen von Linden Ashby und seinem grausam-kühlen Vater festgehalten. Rhine will nur eines: Fliehen! Gemeinsam mit dem Diener Gabriel schmiedet sie bald einen tollkühnen Plan, doch die Umsetzung ist schwer und die Gefahr groß...

MEINE MEINUNG
Seit ich den Klappentext vor Erscheinen gelesen hatte, war ich begeistert und wollte das Buch unbedingt haben. Die bisherigen Rezensionen waren bisher auch überwiegend positiv, weswegen ich hohe Erwartungen hatte - die auch erfüllt wurden. Doch leider gab es so einige Dinge, die mir nicht gefallen haben, sodass das Werk letztendlich nicht eine nicht so gute Bewertung bekommt, wie ich es gern gehabt hätte.

Die Welt, die DeStefano dem Leser hier beschreibt, ist sehr anders als die heutige. Außer Amerika sind alle anderen Länder untergegangen und seit ein Defekt die Menschen in den 20ern sterben lässt, sind auch die Vereinigten Staaten in Gefahr. Rhine wird auf der Straße abgefangen und an den reichen Linden verkauft, um seine Frau zu sein und ihm viele Kinder zu gebären. Denn die Hoffnung der Forscher ist es, den Defekt wieder auszumerzen. Wie ihr ergeht es vielen anderen Mädchen auch, doch die, die nicht ausgewählt werden, müssen sterben. Waisenkinder werden oft an Wissenschaftler verkauft, damit sie seziert und untersucht werden können.

All diese Dinge wirken sehr erschreckend und werden dabei von der Autorin auch noch so realistisch und authentisch beschrieben, dass es einem richtig Angst macht. So viel Leid, so viel Freiheitsberaubung, Unterdrückung und Angst - ich war zwischendurch ganz durcheinander, weil so viel Schlimmes passiert. Rhine erzählt ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive im Präsens, wodurch ihre Gedanken und Gefühle einem sehr nahe kommen. Sie ist eine sehr ruhige Person, weswegen die Geschichte auch hauptsächlich ganz sanft ist und mit leisen Tönen daher kommt. In Dialogen führt sie oftmals ganzseitige Monologe, bevor sie antwortet. Das ist anfangs etwas befremdlich, ich jedoch gewöhnte mich sehr schnell daran und ließ mich einfach hineinfallen.

Lauren DeStefano beschreibt wunderschön das Anwesen, die Umgebung und die Welt. Ich konnte mir alles genaustens vorstellen, die Figuren sowie den Pool, den Orangenhain und die einzelnen Etagen. Das Haus ist riesig und man braucht wohl einen Tag um es einmal zu durchstreifen. Der Schreibstil ist manchmal recht ausufernd und detailreich, was aber durch die ruhige, schöne Sprache keinesfalls Längen aufkommen lässt. Obwohl die meiste Zeit über nicht viel passiert, bleibt die Spannung durch die vielen Fragen, Begegnungen und Ereignisse doch erhalten, sodass ich wirklich gern im Buch gelesen habe.

Die Charaktere mochte ich fast alle sehr gern. Jenna, Rhines ältere Schwesterfrau, ist eine sehr gutherzige Person, die hilft wo sie kann, aber auch an der Trauer um ihre Schwestern erstickt. Cecily, die jüngere, ist anfangs sehr nervig und entlockte mir so einiges an Augenrollen, wird ab der Mitte aber immer erträglicher, bis ich sie schließlich ins Herz schloss. In ihrer Naivität ähnelt sie sehr Linden, dem Ehemann der drei. Er ist recht weinerlich, aber auch großmütig, er liebt die drei Mädchen, und das merkt man ihm auch an. Es wird klar, dass nicht er derjenige ist, der all das Schlimme verbrochen hat, denn im Grunde ist er vollkommen ahnungslos. Zwar wirkt er so oft etwas kurzsichtig, trotzdem mochte ich ihn von seiner Art her. 

Hausprinzipal Vaughn ist hier der, der die Arbeiter bestraft und die Mädchen unter Kontrolle hält. Er beobachtet, verfolgt und ist so kalt und angsteinflößend, dass ich es am liebsten hatte, wenn er nicht auftauchte. Seine Art und Weise ist widerlich, seine Taten oft abscheulich. Trotzdem liebt er seinen Sohn und würde alles für ihn tun, weswegen er wenigstens etwas Menschlichkeit besitzt - was ihn glaubwürdig macht. Der einzige, der mir zu blass war, war Gabriel selbst, der Junge, mit dem Rhine fliehen will. Er wirkte auf mich irgendwie nur schemenhaft, blass. Er besitzt keine richtigen Züge, nichts, was ihn großartig ausmacht. Und ehrlich gesagt weiß ich nicht einmal mehr, wie er aussieht.

Leider werden im Roman auch sehr viele Dinge aufgeworfen, denen es an Schlüssigkeit fehlt. Wenn die erste Generation im Reagenzglas gezogen wurde, um Mängel zu umgehen, warum können die Menschen trotzdem dick werden? Warum bekommen sie Krankheiten? Weshalb hat wieder einmal in einer Dystopie nur Amerika den Weltuntergang überstanden und warum behält Rhine die wichtigsten Dinge für sich, anstatt sie zu erzählen, um den Menschen die Augen zu öffnen? Diese Fragen und noch einige andere, die ich aber nicht stellen kann, ohne zu spoilern, haben mich oftmals die Augenbrauen hochziehen lassen, denn eine Erklärung dafür gibt es nicht. Und das ist wohl auch der Grund, warum mich der Roman nicht vollständig überzeugen konnte.

Das Ende ist gewagt. Rhine und Gabriel treten endlich die Flucht an, allerdings erst dreißig Seiten vor dem Ende. An dieser Stelle tat mir Linden sehr leid, da er auf jeden Fall am Boden zerstört sein wird. Das Entkommen aus dem Anwesen und der Umgebung ist relativ unspektakulär, aber originell und gut durchdacht. Nur frage ich mich, wer um alles in der Welt sein Boot unbeaufsichtigt und mit Schlüssel am Meer lässt, sodass jedermann es klauen kann...Trotzdem bin ich gespannt auf den zweiten Teil, weil ich für Rhine hoffe, dass sie ihren Zwillingsbruder wiederfindet.

FAZIT
Eine gute Dystopie und eine erschreckende Zukunftsvision. Die Charaktere haben mir sehr gefallen, die Story und der Schreibstil ebenfalls, nur die Schlüssigkeit lässt etwas zu wünschen übrig. Trotzdem warte ich ab jetzt sehnsüchtig auf die Fortsetzung!


8525590Titel: Totentöchter/Geraubt (neuer Titel)
Originaltitel: Wither
Reihe: Land ohne Lilien/Chemical Garden
Autor: Lauren DeStefano
Übersetzer: Catrin Fischer
Verlag: cbt
Seitenzahl: 400 Seiten
ISBN-13: 978-3570309186

  3 Kommentare:

  1. Eine sehr gelungene und ausführliche Rezension. Vielen Dank dafür. Trotz der Unschlüssigkeit könnte das Buch was für mich sein. Daher lasse ich es mal auf der Wunschliste :)

    Liebe Grüße, Diti

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  2. Ich kann Dir nur zustimmen: Auch mir blieben bzgl. dieser Welt zu viele offene Fragen und Gabriel bleibt zu blass. Eine schöne Rezension - und ein schöner Blog ;)

    LG
    Monika

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Die Bloggerin

Kittyzer, 22 Jahre alt, früher als Sonne bekannt. Gebürtige Niedersachsin, die für die Arbeit nach Rheinland-Pfalz gezogen ist. Schreibt über Bücher, Filme, Serien und Mainz. Um mehr zu erfahren, → klicke hier

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