Back Down to Earth


[Buchrezension] Blutbraut - Lynn Raven

Sein Atem strich über meinen Hals, seine Bartstoppeln kratzten über meine Haut. Ich saß wie erstarrt, konnte noch nicht einmal zittern, wartete auf den Schmerz. Presste die Lider in der Dunkelheit zusammen, als könnte ich so das Unvermeidliche aussperren. Ein Stöhnen, eine Berührung in meinem Haar. Seine Lippen legten sich auf meine Kehle. Federleicht. Kaum mehr als ein Hauch. Kein Biss, ein...Kuss. Quälend sanft.
"Jamás, mi luz!", rau, knurrend. Ein Flüstern, kaum zu verstehen. "Jamás! Niemals!" Sein Mund streifte meine Schulter, entsetzlich zärtlich. Dann war er fort.

Inhalt:
Schon ewig ist Lucinda Moreira auf der Flucht: auf der Flucht vor denjenigen, die ihre Tante getötet haben und auch dasselbe mit ihr tun wollten. Nirgends kann sie länger bleiben als ein paar Monate, denn die, die sie suchen, sind nicht menschlich und können sie daher umso leichter finden.
Doch dann passiert das, was sie immer befürchtet hat: Sie wird entführt und auf das Anwesen von Joaquín de Alvaro gebracht, einem Hexer, der bald zu einem Nosferatu wird - wenn sie ihn nicht von ihr trinken lässt, denn sie ist ihm als Blutbraut schon lange versprochen. Ihr einziger Gedanke ist es, von dort wegzukommen und so viel Abstand zwischen sich zu bringen wie möglich - aber als Joaquín selbst alles tut, damit sie in Sicherheit, auch vor sich selbst, ist, beginnt sie sich zu fragen, ob er wirklich so schrecklich ist wie sie immer dachte...

Buchaufmachung:
Ich liebe dieses Cover! Eigentlich nerven mich, wie viele andere auch, diese einfallslosen Mädchengesichter auf den Büchern - hier allerdings hat es was. Die geschlossenen Augen und der sehr angespannte und fast schon leblose Gesichtsausdruck heben es von anderen ab, ebenso wie dieses tolle Outfit, das die Person da trägt...Durch die dunklen Farben wird die oftmals düstere Atmosphäre ebenfalls klasse vermittelt.
Das Einzige, was mich an der Aufmachung stört: Dass es keine gebundene Ausgabe ist, denn erstens hätte das Werk das eindeutig verdient gehabt, und zweitens hat man echte Schwierigkeiten damit, den Rücken nicht zu brechen...Aber ansonsten: Top!

Meine Meinung:
So oft habe ich schon schwärmende Rezensionen über Lynn Raven gelesen, mehrere ihrer Bücher, auch unter ihrem anderen Namen Alex Morrin, stehen auf meiner Wunschliste. Viel habe ich auch bereits über ihr neustes Buch gehört und kann nun behaupten: Es ist wirklich so gut wie man überall hört!

Wie erfrischend! Das war der Gedanke, der im Grunde die ganze Zeit das Lesen begleitete. Der Plot ist so vollkommen neuartig und hebt sich so total von den meisten anderen Büchern ab, dass es eine wahre Wonne war: Eigentlich geht es vordergründig gar nicht um Vampire - die entstehen nämlich nur, wenn die Hexer der Hermandad, wozu auch Joaquín gehört, keine Blutbraut haben, die verhindert, dass sie zu Nosferatus werden. Dieser Aspekt gefiel mir von Anfang an sehr gut, besonders, da die Autorin es fabelhaft versteht, nach und nach alle Details aufzuklären und so alle Fragen des Lesers zu beantworten.

Aber auch der Rest ist ebenso originell und gut ausgearbeitet - allem voran die Beziehung zwischen Lucinda und Joaquín, die sich unglaublich langsam entwickelt und dabei doch so intensiv ist, dass es einen schier umhaut. Was für eine Abwechslung im Gegensatz zu den sonstigen Jugendbüchern, in denen die Protagonisten nach zwei Tagen von Liebe sprechen! Die Entwicklung von Todesangst zu Zuneigung ist eben ein Weg, der nicht nach einer Woche schon gegangen worden sein kann. Und das wurde hier perfekt rübergebracht.

Lucinda ist eine Hauptperson, wie ich sie selten kennengelernt habe - so ein verschrecktes, ängstliches Mädchen ohne Vertrauen in seine Umwelt, aber dennoch so stark, dass sie nichts unversucht lässt, um irgendwie zu entkommen. Sie ist gleichzeitig zerbrechlich und tough, ängstlich und mutig. Sie vereint viele Gegensätze in sich, die sie so unverwechselbar machen, ihre Gedanken sind authentisch und ihre Taten ebenfalls - ich konnte alles an ihr nachvollziehen, was mir immer sehr wichtig ist.

Joaquín ist einfach...Joaquín. Kaum zu beschreiben. Düster und rau, manchmal ohne Rücksicht auf den Willen anderer, aber nur, wenn es darum geht, die, die er liebt zu beschützen. Er tut alles für Lucinda, für seine Gefährten und seine Familie und ist so selbst in den unnahbaren Momenten nicht fern für den Leser. Und obwohl er brutal sein kann, stur und so dunkel wie die Nacht, habe ich mich doch sofort in ihn verliebt, denn alles, was er will, ist ein ruhiges, sicheres Leben für alle, die ihm nahestehen. 

Der erste Teil des Buches besteht hauptsächlich aus vielen Gesprächen und vielen Zurückweisungen sowie Fluchtversuchen Lucindas. Doch trotz dessen, dass nicht viel passiert, baut sich Spannung dadurch auf, dass man einfach gespannt darauf wartet, wann sie zum ersten Mal etwas wie Vertrauen fasst. Es kribbelte bei mir, wenn sie sich im selben Raum wie Joaquín aufhielt und es jagte mir Schauer über den Rücken, wenn sie sich anschauten. Die Atmosphäre des Romans ist die gesamte Zeit so dicht, dass ich nicht aufhören konnte zu lesen.

Der Schreibstil passt perfekt zum Inhalt - zwischenzeitlich träumerisch, geprägt von Monologen und Gedanken Lucindas, die das Geschehen verdeutlichen. Die Beschreibungen sind manchmal vielleicht ein kleines Stück zu lang, aber in einer solch schönen Sprache, dass es kaum auffällt. Durch die geschwungenen Sätze und die eingebauten spanischen Fetzen, konnte ich mich wunderbar hineinfallen und treiben lassen.

Natürlich fehlen aber auch die Kämpfe nicht. Die Figuren bekommen es mit allerlei Widersachern zu tun: den Hexern der Hermandad sowie den blutrünstigen Nosferatu und einem Unbekannten, der anscheinend mit jemandem aus ihrer unmittelbaren Umgebung zusammenarbeitet...Die Auseinandersetzungen sind oftmals blutig und manchmal auch brutal, für allzu zarte Gemüter würde ich also vielleicht empfehlen, diese zu überspringen. Denn so glaubwürdig wie sie beschrieben werden, hat man schnell das Gefühl, mittendrin zu sein.

Gegen Ende werden nochmal ein paar Geheimnisse gelüftet, die aber im Grunde nur für Lucinda überraschend sind - der Leser hat davon schon einige Zeit vorher in einem Kapitel aus der Sicht des Bösen gelesen. Leider wirkt die Charakterisierung desjenigen etwas lasch im Gegensatz zu den ansonsten großartig schraffierten Haupt- und Nebenfiguren. Die Beweggründe werden einfach nicht ganz klar. Da aber manche Stränge offen gelassen wurden, kann es gut sein, dass noch ein 2. Teil folgt.

Der Showdown ist dann einfach nur spektakulär. Was da passiert, übertraf bei weitem meine Vorstellungen und ließ mich hibbelig vor Aufregung herumrutschen. Ich hätte beim besten Willen nicht mehr aufhören können zu lesen, weil ich so mit Lucinda und Joaquín mitfieberte. Ich hatte regelrecht Angst um die beiden. Der Abschluss ist Lynn Raven danach wunderschön und für mich absolut perfekt gelungen - er lässt hoffen und ein bisschen träumen und ich war ob der trotzdem drohenden Gefahren einfach nur glücklich.

Fazit:
Was für ein grandioser Roman! Der Plot ist genau nach meinem Geschmack, die Haupt- und auch die Nebenfiguren sind grandios charakterisiert und die Spannung und Intensität waren für mich die gesamte Zeit über regelrecht greifbar. Ich müsste mich schämen, hier etwas abzuziehen, und deshalb gibt es die ganzen 5 Punkte. Unbedingt lesen!


Das Buch auf der Verlagswebsite: Hier klicken

Mein Dank gilt dem Verlag für das Rezensionsexemplar!

  4 Kommentare:

  1. Sehr schön Sonne!!! Jetzt freu ich mich noch mehr drauf. 5 Punkte, dann muss es ein WOW Buch sein :-)

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  2. Wunderbare Rezi, ich fand das Buch einfach toll! Aber heißt Jaques nicht eigentlich Joaquín? :)

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  3. @emely:
    Huch O.o Hast Recht :D Wie konnte mir das passieren???

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  4. Hey,

    danke für die Rezi! :) Das Buch klingt ja echt ganz gut. Steht auch auf meiner Liste, obwohl ich bei Lynn Raven ein bisschen skeptisch bin - die "Kuss des Dämons"-Reihe gefiel mir nicht so richtig, genau wie "Werwolf". Den "Kuss des Kjer" dagegen mochte ich, also versuch ichs mit diesem hier wohl auch noch mal. :)

    Liebe Grüße von der Winterzwiebel ♥

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Die Bloggerin

Kittyzer, 22 Jahre alt, früher als Sonne bekannt. Gebürtige Niedersachsin, die für die Arbeit nach Rheinland-Pfalz gezogen ist. Schreibt über Bücher, Filme, Serien und Mainz. Um mehr zu erfahren, → klicke hier

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