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[Mein Ärger über] Den Umgang mit rechten Gruppierungen



Ich war nicht auf der Buchmesse, weil ich stattdessen meine Familie in der Heimat besuchen wollte - und das, wo ich doch nur 45 Minuten von Frankfurt entfernt lebe. Im Nachhinein bin ich nun aber froh, nicht dagewesen zu sein, und die meisten werden auch wissen, warum. Ich war also nicht live dabei, habe nicht mit eigenen Augen die Ausschreitungen zwischen den rechten und linken Gruppen miterlebt und erlaube mir dennoch, etwas dazu zu sagen. Warum? Weil es nicht allein um die Frankfurter Buchmesse geht, sondern die Geschehnisse dort nur ein Symptom unserer sich verändernden Gesellschaft sind. Einer sich verändernden Gesellschaft, die immer weiter nach rechts zu rücken scheint - 12,6% für die AfD bei der Bundestagswahl in Deutschland und der 2. Platz für die rechtspopulistische FPÖ bei der Nationalratswahl in Österreich sprechen eine deutliche Sprache.

Und ich kann es nicht verstehen, auch wenn es noch so viele Analysen und Erklärungen und Motive gibt. Aber das ist ein anderes Thema für einen anderen Post, den jedoch viel mehr Leute schon viel besser geschrieben haben als ich, und deswegen lasse ich es lieber gleich und widme mich etwas anderem.

Denn ich kann auch nicht verstehen, wieso mit den Rechten so umgegangen wird wie momentan. Lassen wir dabei die außen vor, die die Populisten, Neue Rechte und Nazis verteidigen, denn denen ist sowieso nicht zu helfen, um es böse auszudrücken. Konzentrieren wir uns lieber darauf, dass die 12,6% Wähler der AfD so verdammt ernst genommen werden; dass rechte Verlage auf eine Buchmesse eingeladen und mehr geschützt werden als Gegendemonstranten; und dass die Antifa und kleinere, weniger radikale linke Gruppierungen (oder Einzelpersonen) immer wieder den gleichen Fehler begehen: Die Rechten zu Opfern zu machen.

# 12,6% sind nicht das Volk


Ja, dass eine rechtspopulistische Partei wie die AfD so viele Stimmen erhalten hat und noch vor FDP, Linken und Grünen als drittstärkste Kraft in den Bundestag eingezogen ist, ist erschreckend. Aber, und damit packe ich das Klischee aus, auf dem auch alle anderen herumreiten, 87,4% der Wähler wollten diese Partei nicht an dieser Stelle sehen. Die größte Mehrheit hat nicht rechts gewählt, hat sich nicht von Lügen, Verleumdungen und dem Ausnutzen des Leids der anderen verführen lassen. Warum also tut die Politik so, als wäre es das allerwichtigste, diese Wähler zurück zu gewinnen? Wer will denn diese Wähler?

Schon vor der Wahl haben Parteien wie auch Medien von früh bis spät über die AfD berichtet oder geschimpft und sie damit immer und immer wieder in die Köpfe der Menschen zurück geholt. Es ging weniger um Inhalte als um "Wir machen das anders". Dass das nicht funktionieren würde, war jedem klar, nur den Politikern und Journalisten nicht. (Und jetzt tue ich es auch! Na toll.)

Nun ist es aber passiert. Damit wäre es an der Zeit, sich anderen Dingen zuzuwenden. Nicht nur, wie Seehofer, darüber zu sinnieren, man müsste wohl seine "rechte Flanke schließen" und was denn die Unzufriedenheit der Menschen bewogen haben könnte, sondern etwas zu tun - und zwar nicht nur für die rechten Wähler, sondern auch für die anderen. Eine Obergrenze einzuführen, weil 12,6% das so wollen, kann nicht die Lösung sein. Burkas zu verbieten, weil 12,6% das so wollen, kann ebenfalls keine Lösung sein. Denn diese Wähler sind nicht der Nabel der Welt, ganz einfach.

# Kommen drei rechte Verlage zur Buchmesse...

Toller Beginn eines Witzes - wenn es ein Witz wäre. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut in Deutschland und jeder sollte dieses nutzen dürfen - auch Bürger mit eher rechter Gesinnung, ganz sicher, so ungern wir auch zuhören mögen. Dass Verlage des rechten Spektrums naturgemäß aber auch Nazis anziehen und diese nicht unbedingt das friedfertigste Volk sind, ist ja wohl jedem klar. Jedem, außer den Veranstaltern der Frankfurter Buchmesse 2017. Unsere Demokratie muss es aushalten können, dass auch die Neue Rechte, wie etwa der Antaios-Verlag, sich präsentieren darf, aber in solch einer Umgebung auf einen ruhigen Diskurs zu hoffen, war wohl eher ein Wunschtraum. Vor allem aber wurde vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels selbst zur "aktiven Auseinandersetzung" aufgerufen - was hat das anderes zu bedeuten, als Proteste geradezu herauszufordern, nur um sich dann aus der Verantwortung zu ziehen, wenn es tatsächlich zu Tumulten kommt - und die Security bzw. Polizei sogar so harsch vorgeht, dass es zu Schlägereien kommt?
 Bildergebnis für ausschreitungen buchmesse

Davon abgesehen ist mein größter Kritikpunkt aber definitiv die Einladung an Bernd* Höcke. Es ist - meiner Meinung nach - etwas anderes, einen Verlag seine Bücher vorstellen zu lassen, als einen politisch aktiven, sich dem Nazi-Jargon bedienenden, seine eindeutig rechte Ideologie verbreitenden Redner zuzulassen. Die Demokratie muss vieles aushälten und hält auch vieles aus, aber einen Hetzer bei der Buchmesse auftreten zu lassen, gehört für mich nicht dazu. Dass es daraufhin zu linken Protesten kam, kann ich verstehen - und dennoch führt es uns zum dritten und größten Problem im Umgang mit rechts.

# Hast du das in der Schule gelernt oder warst du auf der Akademimimi?

Rechtspopulistische Parteien wie deren Anhänger stellen sich gern als Opfer dar - verbreiten selbst falsche Informationen und schimpfen doch ständig über "Fake News", reden absichtlich eine Welle der Empörung herbei, um dann zu behaupten, das sei alles aus dem Kontext gerissen und sowieso und überhaupt ganz anders gewesen. Wir kennen das schon und wir belächeln es.

Gefährlich wird es aber, wenn man diesen Menschen immer und immer wieder die Möglichkeit gibt, sich als genau das Opfer hinzustellen, als das sie gern gesehen werden wollen. Indem etwa die radikale Antifa bzw. einfache laute Protestler an Parteiständen/Buchständen/Veranstaltungsorten aufmarschieren, für Unruhe sorgen, eventuell Vandalismus betreiben und damit möglich machen, dass gesagt wird: Die Meinungsfreiheit gilt wohl nur, wenn es euch passt. Und das ist der einzige Punkt, in dem die Anhänger rechter Gruppierungen Recht haben. Man stelle sich vor, es wäre einfach niemand zum Antaios-Stand gegangen oder die, die dort gewesen wären, hätten friedlich protestiert, mit Plakaten in der Hand, Statement genug. Hätte sich da nicht wunderbar mit den schwachsinnigen Argumenten der Rechten auseinander gesetzt werden können? Wäre da nicht vielleicht sogar dem eigenen Klientel langweilig geworden? Hätten nicht genau diese Meinungen, gegen die demonstriert wurde, viel weniger Aufmerksamkeit bekommen? Moritz Neumeier von funk fasst das in seinem Video wunderbar zusammen:

  
Um das festzuhalten: Ich würde mich zwar ganz offen eher im linken politischen Spektrum einordnen, aber ich bin weder für rechte noch für linke Gewalt. Stattdessen wünsche ich mir einen geordneten und argumentativen Diskurs, denn nur dieser bringt uns weiter und nur dieser zeigt, dass beispielsweise die AfD gar nicht vor hat, Probleme zu lösen, weil sie eben von genau diesen Problemen lebt. Jeder darf wählen und sagen, was er will (solange es nicht gegen die Würde anderer Menschen geht), und das möchte ich auch niemandem verbieten. Heute wollte ich mir einfach nur mal den Frust von der Seele reden.

Was haltet ihr von diesem Thema? 

* oder wie heißt der noch gleich?

  3 Kommentare:

  1. Hallo :)

    Danke für deinen ausführlichen, wirklich gut geschriebenen Post zu diesem Thema - vor allem in Verknüpfung mit dem derzeitigen Literaturbetrieb. Ich habe ihn mit großem Interesse gelesen und kann dir wirklich in allen Punkten zustimmen.

    Allerdings geht es mir gefühlsmäßig ein wenig anders, denn ich fühle mich in den letzten Jahren immer ohnmächtiger hinsichtlich der Entwicklung. Ich lebe in Österreich und hierzulande war die FPÖ -die immer schon von schwerst rechtem aka gestrigem Schlag war- auch mal so eine 12% Marke, über die man sich grämen konnte, aber nicht wirklich musste.

    Wie du es erwähnt hast hat sich das im Laufe der Jahre aber verändert und die letzte Wahl war für linke und liberale Denker gelinde gesagt eine Katastrophe. Denn abgesehen davon, dass die FPÖ den zweiten Platz belegt ist der sogenannte Wahlsieger -ÖVP- nicht einfach nurmehr christlich-konservativ sondern jagt insgeheim einem rassistischen, ewig-gestrigen rechten Pol entgegen.

    Ich weiß nicht mehr so ganz wo mir der Sinn steht, was ich unternehmen kann bzw. möchte und ehrlich gesagt ahne ich immer wieder schlimmes. Und ich finde es sehr enttäuschend, dass nach so wenigen Jahren wieder eine Geisteshaltung an Kraft gewinnt, die schon einmal so zerstörerisch verbreiten konnte :( und -wenn auch mit Protest- an so etwas solidarischen wie der Buchmesse teilnehmen kann.

    Abgesehen davon, dass gegenseitiges Behassen niemandem hilft finde ich keinen plausiblen Lösungsweg aus der ganzen Misere und es is auch schwer jene zur Toleranz zu überzeugen die ihre Angst in den Wind brüllen (was mit den sozialen Netzwerken so gut wie noch nie funktioniert).

    Seufzende Grüße!

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  2. Hallo Sonne,

    mir ging es wie dir. Ich war auch nicht auf der Buchmesse, habe diese Woche aber viele Berichte über den Buchmesseskandal mitbekommen. Ich höre während der Arbeit gerne Deutschlandfunk Kultur und fand dort die Schilderung einer Journalistin sehr interessant, die berichtete, dass es von beiden Seiten enorm an einem ernst gemeinten Diskurs mangelte. Soll heißen, die Linken brüllten. Die Rechten brüllten zurück. Ein wirkliches miteinander reden lag wohl weniger im Interesse von beiden Seiten. Denn in einem anständigen Ton miteinander kommunizieren geht ja sowieso nicht mehr. Die Meinung vieler AfD-Wähler/Rechten scheint ohnehin in Stein gemeißelt zu sein (so wird es jedenfalls über die Medien transportiert) und die Linken bekommen spätestens seit dem G20-Gipfel auch ständig eins auf die Mütze bzw. haben einen schlechteren Ruf. Und nebenbei wurden noch die Buchmesse-/Fachbesucher gestört, die ein wirkliches Interesse für brisante Themen hatten und sich plötzlich mitten im Verbal-Feuerwerk wiederfanden.

    Dabei ist ein konstruktiver Austausch vielleicht mal angebracht. Okay, die gewaltbereiten Rechten/Nazis strikt ausgenommen, da ist Hopfen und Malz wohl wirklich verloren. Zumal die Entwicklung hier wirklich zunehmend beunruhigender wird.

    Aber ein Kollege von mir hat z. B. auch die AfD gewählt, aus Protest, damit sich in diesem Land endlich mal was tut (und das nicht nur für die betuchten Bürger). Ich hingegen sehe mich auch eher politisch Links und kippte ganz schön aus den Latschen, als er seine Argumente auf den Tisch packte, die ich teils nachvollziehen konnte und trotzdem den Kopf schüttelte bei seiner Parteiwahl. Wenn ich da nur an eine Rede von Alice Weidel kurz vor der Wahl denke… nun ja, schwer zu verstehen, wie man darauf reinfallen kann. Nun könnte ich es aber abtun wie eine Kollegin von mir, die meint, dass alle AfD-Wähler ungebildet und somit eben Dumm seien. So einfach sehe ich das dann aber doch nicht. Weil ich denke, dass dies genau der Fehler wäre und man eben nicht alle in den gleichen Topf werfen sollte. Man kann ja wenigstens zuhören und sich dann ein Urteil bilden.

    Ich stimme dir und dem YouTuber übrigens zu. Meinungsfreiheit ist das eine, aber vielleicht hätte man das alles ein wenig geschickter anstellen können. Erst einen Gast einladen und dann mittels direktem Aufruf zum Abschuss freigeben, ist auch nicht gerade die feine Art. Gut gemeint, ist nicht gleich gut durchdacht. Obwohl der Gastgeber schon recht unbequem zwischen den Stühlen saß. Trotzdem muss man sich über das Ergebnis nun wirklich nicht wundern. Daraus wird der Börsenverein des Deutschen Buchhandels für das nächste Jahr hoffentlich lernen. Ändern können die jetzt eh nichts mehr daran, sondern es beim nächsten Mal eben nur besser machen.

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  3. Erstmal ein ganz toller Post. Wie du, war ich auch nicht auf der Buchmesse - aufgrund meines Geburtstages und habe somit erst im Nachhinein von den Vorfällen mitbekomen, die mich auch wütend gemacht hat. Genauso wie du merke ich einfach Tag für Tag wie sich die Gesellschaft verändert, aber leider nicht eine positive, sondern eine negative Richtung: Der sogenannte Rechtsruck von dem derzeit gerne gesprochen wird. Aber auch ich finde, dass man darüber vergisst, dass die Mehrheit der Menschen nicht die AfD gewählt haben. Die Aussage der Partei das sie also für das Volk spricht oder sich dieses zurückholt verärgert mich genauso, denn das tut sie nicht.

    Jedoch finde ich als Politikwissenschaftler, denn ich studiere Politik ja, aber auch wichtig das man die Geschehnisse aufarbeiten und analysiert, wie so die Partei drittstärkste Kraft werden konnte, was übrigens abzusehen war. Viele haben die Partei gewählt, weil sie mit der aktuellen Politik unzufrieden sind und sich nicht mehr von den großen Parteien repräsentiert fühlen und die Menschen sollte man schon wieder als Wähler zurückgewinnen. Es ist in meinen Augen ein Signal endlich Probleme wie die höher Armut von Rentner, Kindern, die größere Schwere zwischen Arm und Reich, die Zukunft der Rente, den katastrophalen Zuständen in der Pflege oder den Wohnungsmangel anzugehen. Denn nur so wird das Ergebnis in vier Jahren auch wieder anders aussehen.

    Was mich auch sehr geschockt hatte war übrigens, als ich geshen hatte, wie viele in meiner Region auch die AfD gewählt haben, dass hätte ich nicht erwartet. Dass man nun "Bernd" Höcke ;) auf die Buchmesse eingeladen hat, kann ich auch nicht nachvollziehen. Wobei ich bei dem ja sehr erschreckend finde, dass der als Geschichtslehrer tätig ist, da fragt man sich doch was der da so gelehrt hat.

    Dankeschön und ja, ich hatte einen echt schönen Tag und habe in kleiner Runde gefeiert :). Ich reflektiere an dem Tag ja immer sehr gerne und bin da auch etwas nostalgisch, weshalb ich auch mit meinen Freundein in alten Erinnerungen geschwelgt habe. Das gehört für mich irgendwie zum Geburtstag dazu.

    Das kenne ich aber zu gut, denn ich bin ja auch eine Perfektionistin. Wenn ich etwas tue, dann halt perfekt und sofort richtig. Für viele um mich herum ist das manchmal auch echt sehr anstregend, aber auf der anderen Seite weiß ich, dass ich dadurch immer mein Bestes gebe.

    Im Freundeskreis würde ich meine Meinung nie verbergen, denn da sollte man schon sagen wenn einem was stört, aber auch zu seiner Meinung stehen können, ohne verurteilt zu werden. Wir diskutieren ja eh total gerne, das kann da auch mal hitzig werden, weil jeder seine eigene Meinung hat, aber am Ende akzeptiert man auch den anderen Standpunkt bzw. gibt es deshalb keinen Streit. Nur in Sozialen Netzwerken ist es mir die Zeit nicht wert, denn da gibt es einfach viele die meinen ihre Meinung sei die einzig wahre, sowie ihr Lebensstil und daran ändert auch niemand was.

    Da musste ich gerade schmunzeln, denn in meiner Jugend habe ich natürlich auch gesagt, dass ich alles anders als meine Eltern machen würde. Aber das war halt auch die rebellische Phase, wo jedes Nein meiner Eltern zum Streit geführt hat. Heute verstehe ich wieso ich mal nicht auf eine Party durfte und würde es, wenn ich schon Kinder hätte genauso machen.

    Dankeschön für dein liebes Kompliment, darüber habe ich mich auch sehr gefreut <3.

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Die Bloggerin

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