[Buchrezension] Irgendwann für immer - Katja Millay
"Wie sieht's aus? Möchtest du mir deine Freundin nicht vorstellen?", fragt er und sieht mich direkt an. Er klingt eher neugierig als boshaft. Und möglicherweise auch ein kleines bisschen beeindruckt.
"Sie ist nicht meine Freundin." Mit einer Hand reiche ich Nastya die Untersetzer für den Tisch, während ich mit der anderen weiter in der Pfanne rühre. Dabei sehe ich sie ganz bewusst nicht an.
"Tja, wenn das so ist...", - er streckt die Arme aus und zieht Nastya auf seinen Schoß, während sie noch damit beschäftigt ist, die Untersetzer aufzutragen. "Was gibt's zu essen?"
Nastya hat etwas Schreckliches erlebt, und seitdem spricht sie nicht mehr. Um alles hinter ihr zu lassen, zieht sie in eine neue Stadt und geht auf eine neue Schule. Um jedoch von ihren eigentlichen Problemen abzulenken, trägt sie extra sehr knappe und enge Kleidung, gepaart mit High Heels, alles in Schwarz. Und es funktioniert: Größtenteils wird sie in Ruhe gelassen. Doch dann begegnet sie Josh. Auch er führt kein einfaches Leben, scheint regelrecht ein Kraftfeld um sich aufgebaut zu haben, das keiner zu betreten wagt. Nastya ist fasziniert davon, dass er ihr so ähnlich ist und dass er durchschaut, dass sie nicht ist wie sie wirken will. Die Anziehung zwischen ihnen ist unverkennbar. Doch beide haben ihre Geheimnisse und Ängste, und diese machen das Ganze äußerst kompliziert...
MEINE MEINUNG
Katja Millays "Irgendwann für immer" besitzt auf Deutsch keinen umwerfend originellen Titel und klingt auch von der Storyline eher altbekannt. Die Stärke der Geschichte liegt auch gar nicht so sehr in Wendungen oder Spannung begründet, sondern viel mehr in den Charakteren und der sehr authentisch wirkenden Erzählweise, die eindeutig die Stärke der Autorin ist. Nastya und Josh berichten abwechselnd aus der Ich-Perspektive von den Ereignissen, wobei zu Anfang sie mehr Kapitel hat, zum Ende hin er. In ihrer Art zu erzählen wären sie wohl auch ohne Kenntlichmachung gut zu unterscheiden, weil sie so unterschiedliche Persönlichkeiten haben und sich daher auch unterschiedlich ausdrücken.
Nastya ist eine Figur, die sehr viel Wut in sich trägt und die Menschen, die sie lieben - insbesondere ihre Famile - immer wieder von sich stößt. Gleichzeitig sehnt sie sich jedoch auch danach, geliebt zu werden, und blüht daher in ihrer Zeit mit Josh richtig auf. Ihre sarkastische und freche Art ist sympathisch, gleichzeitig ist jedoch auch klar, dass sie eigentlich sehr zerbrechlich ist. Josh wirkt anfangs äußerst hart. Er hat in seinem Leben so viel verloren, dass er das möglichst nie wieder erleben will und daher gar nicht erst Kontakt mit anderen aufnimmt. Um diejenigen, die ihm am Herzen liegen, kümmert er sich jedoch mit einer Zärtlichkeit und Hingabe, die bei einem selbst schnell zu einer ziemlichen Verliebtheit führt. Wunderbar sind auch die Nebenfiguren: Drew, der Playboy mit den anzüglichen Sprüchen, der einfach nur noch nicht erwachsen geworden ist; Clay mit seiner Liebe zum Zeichnen, der Nastya an sich selbst erinnert; oder Mrs. Leighton, die gegen niemanden Vorurteile hegt und ein unerschütterliches Vertrauen in die Menschen besitzt. Die Figuren sind allesamt so wunderbar ausgearbeitet, dass man schon nach kurzer Zeit weiß, dass man sie ungern wieder gehen lassen wird.
Das Beste an dem Roman ist, dass die Liebesgeschichte über einen sehr langen Zeitraum gar keine Liebesgeschichte ist. Josh und Nastya müssen erst einmal ihr Misstrauen einander gegenüber überwinden, und danach entwickelt sich zuerst langsam eine gute Freundschaft, die beiden Halt und Frieden verschafft. Gemeinsam werkeln sie an Möbeln, bringen sich gegenseitig Kochen und Backen bei oder sitzen einfach nur schweigend da. Sie sind unterschiedlich, und doch irgendwo sehr ähnlich, weswegen die Chemie auch für den Leser absolut zu spüren ist. Die langsame Entwicklung der Beziehung macht die ganze Geschichte so realistisch und nachvollziehbar, weil sie erst Zeit miteinander verbringen wollen, bevor sie entscheiden, ob sie einander vertrauen können. So ist der Moment, in dem es zum ersten Kuss kommt, natürlich auch ganz besonders und gibt dem Ganzen auf völlig unkitschige Weise eine Portion Romantik, die wohl jedes Mädchenherz zum Glühen bringt.
Aber Liebe ist lange nicht das einzige Thema, um das es hier geht. Auch oder vor allem Verlust, Familie und Gewalt spielen große Rollen und überzeugen trotz ihrer Vielfältigkeit mit einer sorgfältigen und glaubhaften Ausarbeitung, die berührt und mitreißt. Nach den ersten 100 Seiten des Kennenlernens wird es äußerst schwer, sich noch loszureißen von den Problemen der Figuren wie auch ihren Glücksmomenten, wobei letztere einem immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Zum Ende hin hätte ein Klischee, das man aus vielen anderen Liebesromanen kennt, durchaus ausgelassen werden können, nichtsdestotrotz findet die Autorin jedoch einen würdigen, schönen und vor allem Hoffnung gebenden Schluss, der zeigt, dass das Leben nicht perfekt ist und dass es Dinge gibt, über die man keine Gewalt hat - aber dass man aus eigener Kraft doch irgendwann vielleicht alles in Ordnung bringen kann.
FAZIT
"Irgendwann für immer" ist nicht nur eine Jugendromanze, wie man möglicherweise zuerst erwarten könnte, sondern geht sehr viel tiefer und begeistert mit den wunderbar ausgearbeiteten Charakteren, die man sehr gern auf den fast 500 Seiten begleitet. Die Liebesgeschichte ist mitreißend und zuckersüß, aber die vielen weiteren Themen geben dem Ganzen auch genau die richtige Portion Ernst und Tiefgang. Für Fans von berührenden und lebendigen Büchern sicherlich das Richtige! Sehr gute 4,5 Punkte.
Titel: Irgendwann für immer
Originaltitel: The Sea of Tranquility
Autor: Frances Hardinge
Übersetzer: Ulrike Köbele, Petra Koob-Pawis
Verlag: Arena
Verlag: Arena
Seitenzahl: 496 Seiten
ISBN-13: 978-3401069975
Okay, überzeugt: ich will das Buch lesen! Irgendwie greife ich in letzter Zeit immer öfter zu solchen Geschichten.. glaube, du hast mich angesteckt ;)
AntwortenLöschenTolle Rezension, bin sehr gespannt darauf - also, schreibe es bitte auf die Liste! <3
Gab es schon ne Auslosung zum Gewinnspiel, bei dem du teilgenommen hast? Ansonsten werde ich es dir natürlich SEHR gern ausleihen und hoffen, dass es dir dann genauso gefällt wie mir, ne :D
LöschenIch hab' ja schon eine ganze Weile damit geliebäugelt, aber du hast mich nun gänzlich überzeugt. Dein Fazit reicht aus, um das Buch direkt auf meine Wunschliste zu befördern.
AntwortenLöschenDanke dafür! ;)
Das ist ja immer das schönste Kompliment für einen Blogger, wenn man jemandem ein Buch so schmackhaft machen konnte, dass der das nun haben will. Ich freue mich also riesig und hoffe natürlich, dass es dir ebenso gefallen wird, solltest du es dir dann tatsächlich mal zulegen ;)
LöschenPäinää, Sonne.
AntwortenLöschenSo wie ich Dein Können einschätze, hast Du den vorliegenden Roman umfaßend zu charakterisieren verstanden. Mit Deinen Ausführungen sprang mein Filmprojektor an.
Mit 'Submarine' habe ich letztn Monat einen ähnlich verankerten Film gesehen.
Irgendwie treffen beide Cover nicht wirklich den Ton des Romans.
bonté
Vielen Dank wie so oft für das Kompliment - ich fühle mich geehrt ;)
LöschenIch mag das englische Cover aber ganz gern, muss ich sagen - die Silhouetten überlassen ja doch einiges der Fantasy und den Titel mag ich sowieso viel lieber.
"Submarine" kommt nun mal wieder auf meine To-See-List ;)