Back Down to Earth


[Buchrezension] Im Pyjama um halb Vier - Gabriella Engelmann & Jakob M. Leonhardt

BEN: Weihnachten ist bekanntlich das Fest der Liebe - wieso müssen sich Familien dann ausgerechnet an den Festtagen immer streiten?
NERDINATOR: Ist ein Schreibfehler in der Bibel. Muss heißen: Fest der Hiebe...
TOM BOMBADIL: Oder Fest der Diebe? Mir raubt meine Familie an Heiligabend nämlich immer den letzten Nerv.
NELLYROSAROT17: Hoffentlich steht auf eurem Wunschzettel an oberster Stelle: HIRN. Liebe und Streit sind keine Gegensätze. Solltet ihr mal drüber nachdenken.

INHALT
Lulu ist auf der Suche nach Ben Schumann, dem besten Freund des Typen, in den sie total verknallt ist. Sie findet auch einen Ben - dieser lebt allerdings in einer völlig anderen Stadt und hat mit dem, dem sie schreiben wollte, nichts zu tun. Doch wider Erwarten entspinnt sich aus dem anfänglichen Missverständnis eine Internet-Freundschaft, denn beide sind neugierig auf die jeweils andere Person. Sie geben sich Ratschläge, lachen und chatten miteinander - und fühlen sich einander plötzlich seltsam nahe, obwohl sie sich doch eigentlich gar nicht kennen...

MEINE MEINUNG
Von Gabriella Engelmann hört man aufgrund ihrer Märchen-Reihe sehr viel und wer sie bei Facebook verfolgt, weiß, dass sie dort immer präsent ist und wunderbar sympathisch auf die Leser eingeht. Schon allein deswegen wollte ich ihren neuen Roman, in Kooperation mit Jakob M. Leonhardt entstanden, mögen. Verfasst ist "Im Pyjama um halb Vier" gänzlich in Chatsprache, denn die Hauptfiguren lernen sich im Internet kennen und verbringen auch ausschließlich dort ihre Zeit gemeinsam. Und das war leider mein Problem...

Lulu ist ein recht mutiges und freches junges Mädchen, in Jungs-Sachen jedoch gänzlich unerfahren, weshalb ihr die Bekanntschaft mit Ben grade recht kommt. Sie wirkt durchaus sympathisch und ihre Ausagen sind oft nachvollziehbar, manchmal erschien sie mir aber auch egoistisch, weil sie auf Bens Probleme einfach nicht eingeht. Er widerum ist irgendwie widersprüchlich: Einerseits ist er absolut nett und richtig lieb, hilft ihr, wo er nur kann, andererseits stößt er sie zurück und wird abweisend. Das Ganze klärt sich am Ende, war für mich aber nicht ganz glaubhaft. Nebenfiguren gibt es ansonsten nur, wenn eine der beiden Figuren eine Frage oder ähnliches postet, charakterisiert werden diese Nebencharaktere allerdings nicht wirklich.

Wenn man mit e-Mail-Romanen und ähnlichem nichts anfangen kann, ist auch dieses Buch nichts für einen. Die Figuren unterhalten sich recht umgangssprachlich und kommunizieren beinahe ausschließlich über das Internet. Gefühle und Gedanken werden also erzählt und nicht beschrieben, was mich persönlich sehr störte. Vor allem aber sind die Gespräche oftmals einfach unglaubwürdig. Einerseits unterhalten sich Ben und Lulu über jugendliche Dinge wie Sex, Freundschaft und Aussehen, andererseits philosophieren sie dann über Vertrauen oder den Sinn des Lebens. Die Statusmeldungen der beiden, auf die andere antworten, fand ich dann wiederum zwar unterhaltsam - allerdings ist es wenig authentisch, dass die Personen da Namen haben wie "Nellyrosarot17", obwohl so etwas auf Facebook nicht möglich ist [da dort Vor- und Nachname gefordert werden]. Hier bin ich wohl kleinkariert, Authentizität ist mir aber einfach wichtig.

Die Gespräche der beiden Protagonisten sind sicherlich an der ein oder anderen Stelle ganz unterhaltsam, fesseln konnte mich das Ganze aber nicht. Irgendwie passiert zu wenig; die beiden geben sich Ratschläge, treten ewig auf der Stelle, streiten sich circa 4 Mal und verlieben sich ineinander, ohne, dass dies für den Leser sonderlich nachvollziehbar wäre. Und auch eine große  Enthüllung kurz vor Ende konnte mich nicht überzeugen - denn diese passt nicht zu einigen vorher getroffenen Aussagen. Genau zu diesem Punkt stellt eine der Figuren später auch  eine Frage, diese wird jedoch einfach nicht beantwortet. Und so lässt sich der Roman zwar schnell lesen, mitzureißen und am Ende auch zufriedenzustellen, gelingt ihm allerdings nicht.

FAZIT
"Im Pyjama um halb Vier" ist ein reiner e-Mail- bzw. Facebook-Roman und meiner Meinung nach muss man ein Fan davon sein, um letztendlich begeistert sein zu können. Die Gefühle werden eben nicht beschrieben, sondern erzählt, die Figurencharakterisierungen lassen sich nur aus den Nachrichten entnehmen und eine Enthüllung am Ende passt mit vielen vorhergegangenen Aussagen nicht zusammen. Für mich leider ein eher enttäuschendes Leseerlebnis. 2,5 Punkte.



Titel: Im Pyjama um halb Vier
Originaltitel: -
Autor: Gabriella Engelmann & Jakob Leonhardt
Übersetzer: -
Verlag: Arena
Seitenzahl: 237 Seiten
ISBN-13: 978-3401067933

  8 Kommentare:

  1. Ich weiß noch nicht, ob ich das Buch lesen soll. Ich mochte die Bücher von Daniel Glattauer echt gerne, aber das hier ist vielleicht nicht so was für mich. Wie ist das denn genau geschrieben, so vom Stil her? :-)

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  2. Och, das hört sich ja irgendwie enttäuschen an :(.
    Schade, denn auf der Leipziger Buchmesse habe ich in das Buch reingelesen und fand, dass es sich wirklich süß anhörte ;).
    Ist vermutlich eher was für zwischendurch.

    Mit E-Mailromanen ist das so eine Sache. Wenn sie authentisch sind (!) können sie recht unterhaltsam sein, aber ich habe auch immer Probleme damit, mich in die Figuren hineinzuversetzen.

    Danke für die Rezension :). Jetzt weiß ich, dass ich mir das Buch wohl nicht kaufen, sondern eher mal ausleihen werde.

    LG
    Charlie

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  3. PS:
    Und was ich mich gerade frage:
    Wo sind denn alle deine Filmrezensionen hin? (Also sowohl die Liste oben unter den Seiten als auch die Posts...)

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  4. Hallo Sonne.
    Ich denke ein gut geschriebener Mail-Roman wird so einiges über die Charaktere zu äußern wissen. Zwar kein Roman, aber die Briefwechsel von Franz Kafka sind anmerkenswert.

    Wie ich sehe hast Du einen neuen Blog ins Rennen geworfen! :-)

    @Charly
    Sonnes Filmabteilung findest Du oben rechts, unter "Du willst mehr?"

    bonté

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  5. @ApfelSinchen:
    Also, das Werk ist schon recht umgangssprachlich, jedenfalls was so das Einstreuen von [oftmals nervigen] englischen Worten etc betrifft. Gleichzeitig sind ansonsten die Aussagen manchmal recht hochgestochen, als könnten sich die Leute nicht entscheiden. Ich kann es nicht recht beschreiben...und würde dir daher empfehlen, einfach mal reinzulesen ;)

    @Charlie:
    Also wenn du den Schreibstil beim Reinlesen mochtest und findest, dass es sich gut anhört, kann ich dir nur empfehlen, es selbst auszuprobieren. Ich bin ja schließlich nicht die Messlatte für alles :D Für mich nur leider einfach nichts. Ich fand einfach, dass das e-Mail-Schreibzeugs nicht glaubwürdig rüberkommt. Zu durchwachsen, zu wenig jugendlich und dann wieder zu viel. Solltest du es dir leihen, wünsche ich dir viel Spaß!
    Und die Frage wurde ja zum Glück bereits geklärt ;)

    @RoM:
    Eine Freundin von mir findet einen Mail-Roman von Meg Cabot total klasse, vielleicht sollte ich es damit mal versuchen - so unauthentische wie dieser hier sagen mir jedenfalls schon mal nicht zu ;) Und Kafka ist mir dann doch wieder ne Nummer zu hoch...

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  6. Klasse Rezi! Ich hatte das Buch in Leipzig auch in der Hand und bemerkte dort irritiert, dass es halt ein reiner Chatroman ist. Das war für mich ein Grund, das Buch wieder ins Regal zu stellen - war mir vorab nicht bewusst. Denn genau die Gründe, die du aufzählst, hätten mich auf Dauer auch gestört. Eine Mischung aus Chatgeschprächen und Roman hätte mich da mehr angesprochen. Wobei die Idee an sich schon witzig ist und gewiss seinen Unterhaltungswert hat. Doch, ich bin im realen Leben schon kein Fan von Chats und dann einen ganzen Roman darüber, nöööö. Dafür bin ich dann jetzt einfach mal zu alt. :)

    Liebe Grüße
    Reni

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  7. @Reni:
    Danke dir! - Und ja, mir ging es genau wie dir, ich hatte gar nicht so recht mitbekommen, dass es ein Chatgespräche-Buch sein würde und war dann doch eher überrascht. Und im Nachhinein halt leider auch ernüchtert. Ich würde schätzen, dass das Buch wirklich nichts für dich ist - vor allem, wenn du Chats schon in Wirklichkeit nicht magst. Und meiner Meinung nach wurden die Gefühle etc auch nicht überragend überzeugend dargestellt. Ich bin allgemein auch kein Fan von solchen Büchern und hätte es bewusst wohl nicht mitgenommen. Wobei "Gut gegen Nordwind" von Glattauer ja bspw. sehr gut sein soll...

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  8. @RoM
    Und wieder einmal vielen Dank für die Info :D. Ein paar Tage später hat Sonne das ja auch geschrieben, aber auf den ersten Blick war ich verwirrt und habe dieses Detail nicht bemerkt :D

    @Sonne
    Ich werde es sicherlich auch ausprobieren, aber erstmal wohl nicht kaufen :).

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Die Bloggerin

Kittyzer, 22 Jahre alt, früher als Sonne bekannt. Gebürtige Niedersachsin, die für die Arbeit nach Rheinland-Pfalz gezogen ist. Schreibt über Bücher, Filme, Serien und Mainz. Um mehr zu erfahren, → klicke hier

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